10/12 Kopflos
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:44 |
Das habe ich so noch gar nie bedacht. Wenn in Medien zur Illustration eines Berichts zum Thema Übergewicht Personen abgebildet sind, die dieses Thema „verkörpern“ sollen, dann sieht man sie meist von hinten. Oder so, dass nur der gewölbte Bauch im Bild zu sehen ist, das viel zu breite Hinterteil und die fülligen Schenkel. Kopf und Gesicht sind nicht zu erkennen oder nicht sichtbar. Oft sind es Bilder von internationalen Bildagenturen. Und noch vor kurzer Zeit hatte die Tagesschau von SRF bei uns angefragt, ob wir „Models“ vermitteln könnten, mit denen man Aufnahmen drehen würde, die dann bei Bedarf der Berichterstattung unterlegt werden könnten. Selbstverständlich – so die Zusicherung – würde man die Aufnahmen so gestalten, dass die Personen nicht zu erkennen wären, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes… Ich habe mir nichts dabei gedacht.
Nun greift die amerikanische Organisation Obesity Action Coalition OAC das Thema auf. Sie führt auf ihrer Website eine Abstimmung durch, ob man diese Praxis der „kopflosen“ Darstelllung adipöser Menschen als verletzend empfinde oder nicht. Und siehe da: mehr als 80 Prozent derer, die geantwortet haben, fühlen sich durch diese Darstellung diskriminiert, verletzt. Als seien sie niemand, hättten kein Recht auf eigene Persönlichkeit, als müssten sie davor geschützt werden, als das erkannt zu werden, was sie sind: übergewichtig, dick, fett.
Ich weiss nicht, ob diese Reaktion allgemeingültig ist, oder ob sie speziell die US-Verhältnisse reflektiert, wo adipösen Menschen inzwischen am Selbstvertrauen und Sicherheit gewonnen haben, wo Übergewichtigkeit zum Standard geworden ist, zur Selbstverständlichkeit, die auch Rechte und Ansprüche einfordern kann. Bei uns wird zu viel Gewicht noch immer gern kaschiert, in weiten, wallenden Gewändern… oder einfach dadurch, dass öffentliche Auftritte gemieden werden. Ist die negative, kritische Reaktion auf die anonymisierende Darstellung dicker Menschen ein Zeichen dafür, dass eine Gruppe zu ihrer Eigenart steht und auf Respektierung pocht? Schön wäre es.
Sagen wir doch mal so: Die von Ihnen angesprochene Art von Bildern ist meist ganz bewusst auf abwertende Art und Weise gemacht. „Seht her, wie fett die sind, von denen wir hier reden.“ Es sind meist bewusst hässliche, unvorteilhafte Bilder.
Nicht so wie die von Ex-BR-Kandidat Zuppiger, den Sie so mögen. Bei ihm hat man die physiognomische Situation ja auch deutlich sehen können … ohne dass es abwertend gemacht worden wäre.