13/8  Wüste Worte

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:02

Der Ursprung der Redewendung ist nicht ganz sicher belegt, aber es gibt Hinweise, dass er im amerikanischen Kulturraum liegt. Ich selber glaube es nur vom Hörensagen her zu kennen. Echt passiv ist es mir wohl nie passiert, sonst hätte es sich mir unauslöschbar eingeprägt. Es geht um die berühmte Seife, mit der früher den Kindern der Mund ausgewaschen worden sein soll, wenn sie unanständige Worte, Flüche oder Fäkalsprache benutzt hatten. Andere Quellen wollen wissen, dass vor allem in Missionsschulen den zu bekehrenden Eingeborenen mittels Seifen-Waschung des Mundes der Gebrauch ihrer für „unrein“ gehaltenen Muttersprache abgewöhnt werden sollte. Ok, neben der einst standardmässig eingesetzten Prügelstrafe nimmt sich das Einseifen der Zunge als Erziehungsmassnahme geradezu kuschelmässig aus.

Und auch wenn „es“ heute nicht mehr praktiziert wird: das Problem bleibt doch, wie man die heranwachsende Jugend davon abhält, sogenannt „wüste“ Worte zu verwenden. Eine andere Geschichte kenne ich auch nur vom Hörensagen, denn die ist vor 70 Jahren passiert. Mein älterer Bruder hatte in der Schule völlig arglos und unwissend den  Ausdruck „Hure“ aufgeschnappt, ihn dann nur so zum Spass und ohne zu wissen, was er da sagte, der Grossmutter nachgerufen. Sie soll eine Woche gebraucht haben, um sich wieder zu beruhigen.

Dazu kommt noch, dass gewisse Worte im Lauf der Zeit ihren Schrecken verlieren. Noch nicht lange her, da war der Ausdruck „geil“ in der Erwachsenenwelt  bös verpönt, während die Jugend ihn in allen möglichen Zusammenhängen brauchte ohne dabei rot zu werden.

In seiner letzten Ausgabe befasste sich der Beobachter mit dem Problem des kindlichen Fluchens. Für alle, die sie noch nicht kannten, wurde eine kleine Liste von heutigen „Schimpfworten“ abgedruckt, die von Kindern vermieden werden sollten. Diese Liste – sie enthält so vertraute Formeln wie „Wichser“, „fick dich“ oder „Nutte“ – wird angeführt vom Ausdruck „fette Sau“.

Die Beschimpfung eines Übergewichtigen gilt also als schlimmste Verunglimpfung, da sie den derart Titulierten verletzen könne. Dass dem wirklich so ist, das hat eine TV-Szene aus dem Berliner Proletariat bewiesen, in die ich soeben zufällig hineingezappt habe: eine etwas resolute Single-Frau (51) hat an einem Blind-Date einen Bewerber mit deutlichem Bauchansatz als „für meinen Geschmack zu dick“ bezeichnet, worauf dieser empört und beleidigt das Treffen abbrach und sich davon machte.

Wüste Worte können also wirken. Manchmal wäre es gerade deshalb wichtig, sie zu verwenden. Gut, dass die Seife nicht mehr im Einsatz ist.