16/10 Kuhsaft
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:41 |
Manchmal nimmt die Diskussion um die Lauterkeit und die Wahrhaftigkeit der Werbung bizarre Formen an. Unlängst wurde eine Firma von kritischen Konsumenten dafür getadelt, dass auf der Milch-Packung eine Kuh mit Hörnern abgebildet war. Dies sei, so der Vorwurf, eine arglistige Täuschung der Verbraucher, denn es sei doch allgemein bekannt, dass den hiesigen Kühen schon sehr früh die Hörner amputiert würden…
Die Erklärung der Firmensprecherin war dann die, dass es unter den Milchlieferanten sowohl Bauern „mit“ wie auch „mit ohne“ Hornvieh gebe, und dass man dies im Bild ausgewogen habe berücksichtigen wollen. Das allerdings scheint mir eine müssige Diskussion gewissermassen um das Horn des Propheten zu sein, denn es ändert nichts an der Tatsache, dass die Milch, die wir im Grossmarkt kaufen, heute nicht mehr die Flüssigkeit ist, die uns einst der Bauer im Stall direkt ab Zitze kuhwarm in den Mund gespritzt hat.
Die Gewinnung des weissen Saftes aus der Kuh wurde hochprofessionell rationalisiert und sterilisiert. Vorbei die Zeiten, da man sich vor Milchpanschern hüten musste, die auf dem Hof noch etwas Wasser in die Tanse laufen liessen oder wo schädliche Keime bei unsauberer Stallhaltung ganze Käselager gefährdeten… Die Veredelung und Umwandlung in ein polyvalentes und witterungsbeständiges Nahrungsmittel findet in den Konzernen statt, wo Rahm abgeschöpft wird, die Flüssigkeit erhitzt, abgekühlt, gequirlt, geschäumt, mit Vitaminen angereichert und wieder neu komponiert wird, bis jene Packungen entstehen, von denen die Kleinen heute meinen, daraus käme die Milch.
Gut, dass nun ein – offenbar auch von den statistischen Beobachtern schon erkannter – Gegentrend eingesetzt hat: wer es sich leisten kann wählt heute landwirtschaftliche Produkte aus der Nähe, aus der Region, „vom Bauernhof“. Die Firmen mit lokalem Kolorit erleben einen Boom, man bevorzugt Natürlichkeit, will das unbehandelte Produkt und interessiert sich wieder dafür, wo es herkommt (und nicht bloss dafür, wie es die Kühe auf die höchsten Berggipfel geschafft haben).
Das steht allerdings in einem klaren Widerspruch zu der zeitgeistigen Forderung nach immer billigeren Preisen und immer längerer Haltbarkeit. Trotzdem ist und bleibt die Milch ein universeller Energiespender auch für den modernen Menschen. Das musste doch auch wieder mal gesagt werden.