20/11  Arm und dick

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:11

Auch in der reichen Schweiz gibt es arme Leute. Armut ist auf eine beschämende Weise relativ geworden. Mit stetig steigendem Lebenskomfort sind auch die Ansprüche an die materielle Bewältigung des Alltags gestiegen. Das Existenzminimum, bei dem die Armutsgrenze liegt, ist heute wesentlich höher als vor ein, zwei Generationen. Die Lage in unserem Land beschäftigt auch den Bundesrat. Mit Bildungs-Angeboten will er gegen die Armut kämpfen. Dafür erntet er viel Lob.

Bildung macht auch Sinn, denn sie hilft zur Bewältigung der Herausforderungen des Lebens. Dazu gehören auch Gesundheit und Ernährung. Eine aktuelle Studie der privaten Rice-University in Houston hat gezeigt, dass Kinder in einer armen Gegend ein um 30 Prozent höheres Risiko haben, übergewichtig zu werden als Kinder, die in einer reichen Umgebung leben.

Kindliches Übergewicht ist also nicht eine Folge von Überfluss und Verschwendung, sondern von falscher Ernährung aus Mangel an Wissen und an Mitteln für die Beschaffung gesunder Nahrung. Mehr als 17’000 Kinder im Alter von 5 Jahren waren untersucht worden. Grösse und Zusammensetzung der Familien spielten dabei eine kleinere Rolle als die „Wertigkeit“ des Milieus, der Nachbarschaft.

Ein zusätzliches Rsiko, an Adipositas zuu erkranken, besteht für Migrations-Kinder in den ärmlichen Quartieren… sie sind in doppelter Hinsicht benachteiligt, und dies sogar in einem Land, das sich jahrzehntelang als Einwanderungsland par excellence verstanden hat. Geben wir der bundesrätlichen Politik gegen die Armut in der Schweiz also eine Chance. Sie könnte sich auch auf die Gewichts-Situation positiv auswirken,




19/11  Netzpiraten

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:47

Man sollte ihnen vielleicht nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, aber sie nerven doch erheblich. Irgendwo haben sie Maschinen installiert, die das Internet nach geeigneten Adressen absuchen, und dann verschicken sie ihre vermeintlichen Mitteilungen. Mit geisterhafter Automatenhand, zu Hunderten.

Dumm ist nur, dass man nicht einen Automaten damit beauftragen kann, sie wieder zu löschen. – Wenn jemandem beim Lesen dieses Blogs oder früherer Beiträge mal Kommentare auf Englisch aufgefallen sind, die sich auf den ersten Blick schmeichelhaft ausnehmen, so handelt es sich dabei um ebensolche. Sie fangen harmlos aufmunternd an. Eigentlich, schreiben sie, würden sie kaum je einen Blog lesen. Aber dieser hier sei so extrem gut und überzeugend geschrieben, dass man sich angesprochen gefühlt habe und wohl nicht zum letzten Mal hier dabei gewesen sei… Dann folgt ein Link zu einer Website.

Klickt man diesen an (was ja auch nicht unbedingt das Schlauste ist), so kommt man auf eine Verkaufs-Seite, die entweder Kleider, Schuhe, Stiefel oder dubiose Abnehm-Mittel angeblich günstig feilbietet… und nur darum geht es: die eigene Verkaufs-Seite so oft wie möglich unters Volk zu bringen, in der Hoffnung, dass irgendwer dann doch irgendwann mal hängen bleibt und ev. etwas bestellt.

Ich habe heute mehr als eine Stunde damit verbracht, mehrere Hundert solcher Einträge wieder aus den Blogs zu löschen. Aber nicht nur das: gleichzeitig verstopfen die Benachrichtigungen aus dem System, dass eine Meldung eingetroffen sei, sowohl den Mail-Briefkasten im PC als auch das Webmail-Archiv im Server, so dass auch diese regelmässig geleert und vom Schrott befreit werden müssen.

Per Zufall bin ich übers Weekend im Hotel auf eine Lektüre gestossen: ein Magazin für Frauen, an sich attraktiv gemacht, aber o Schreck: im Inneren genau die Marken und Anbieter in der Werbung, die mich die ganze Zeit schon mit ihrem Spam-Shit-Storm genervt haben… Werde da vielleicht gelegentlich mal ein Wort mit der Herausgeberin reden müssen.




18/11  Versüsst

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:56

Wir sind alle irgendwo Schleckermäuler. Das wurde mir eben bewusst, als ich das Wochenende in einem hervorragenden Hotel im Bündnerland verbrachte, wo am Samstagabend zum Nachtisch ein gewaltiges Dessert-Buffet aufgefahren wurde. Die Auswahl wollte kein Ende nehmen und entsprechend schlugen die Gäste auch zu und holten sich die kleinen Köstlichkeiten, farbig, bunt und vor allem eines: süss!

Der frühe Mensch bezog Süsses von der Biene. Honig, aus der Wabe geholt, war eine rare Kostbarkeit. Vor 10’000 Jahren gelangte das Zuckerrohr aus dem Fernen Asien in den nahen Orient und ermöglichte die handwerkliche Fertigung von Süsse. Zucker ist ein Stück unserer Kulturgeschichte. Aber er wird zunehmend auch zu einem wesentlichen Teil unserer Krankengeschichten. Denn sein Verbrauch hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen.

Eine illustrative Website aus USA veranschaulicht dies; die Aussagen sind sinngemäss auch auf unsere eigenen Verhältnisse übertragbar. Einige Zahlen und Fakten aus dieser Darstellung:

Die Amerikaner verzehren pro Jahr und Kopf rund 60 Kilo Zucker (die Schweizer sind erst bei 50 Kilo angelangt…), das sind 765 Gramm innerhalb von 5 Tagen (vor 200 Jahren waren es noch 45 Gramm). Dies macht 1,6 Tonnen Zucker in einem ganzen Leben. Die Herzorganisationen empfehlen als tägliche Limite nicht mehr als 9,5 Teelöffel Zucker; ein US-Erwachsener schafft aber im Schnitt 22 Teelöffel, Kinder bringen es dank „spezieller“ Kindernahrungsmittel sogar auf 32 Teelöffel täglich. Ein Drittel des täglichen Konsums stammt aus Süssgetränken. Und in Form von Zucker nehmen die Amerikaner täglich 500 Kalorien zu sich, das entspricht pro Woche einer Menge von einem Pfund Fett.

Der bewusste und gezielte Verzicht auf zu viele zuckerhaltige Nahrungsmittel wäre also eine wirksame Hilfe bei der Gewichtskontrolle. Und ein Stück weit auch Gewöhnungssache.




16/11  Nutella-Steuer

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 11:46

Kaum will Dänemark die Fettsteuer abschaffen, kommt aus Frankreich ein neuer Vorstoss zur Steuer-Einführung. Diesmal unter dem griffigen Namen Nutella-Steuer.

An sich geht es um eine Zutat vieler Süssigkeiten auf Schokoladebasis: es geht ums Palmfett. Dieses ist grundsätzlich umstritten. Ob es auch gesundheitliche Nachteile hat, ist noch nicht abschliessend evaluiert, beträchtlich sind jedoch die Umwelt-Schäden, die es bzw. dessen Anbau verursachen kann.

Ganze Landstriche in Regenwald-Gebieten wurden schon abgeholzt, um in riesigen Monokulturen die kostengünstigen Fettpalmen anzupflanzen, ohne Rücksicht auf die Ureinwohner und die Tierwelt. Denn Palmfett ist günstig und lässt sich in der industriellen Fertigung von Nahrungsmitteln viel besser verarbeiten als tierische Fette. Allerdings wird es in der Lebensmittel-Kennzeichnung selten als solches deklariert: „pflanzliche Fette“ steht da meistens… (Die Schweizer Grossverteiler haben übrigens ihre Absicht kundgetan, künftig nur noch Palmfette aus zertifiziertem Anbau zu verwenden… immerhin etwas.)

Nutella enthält einen hohen Anteil von diesem Fett, daher der Name der Steuer. Sie soll bis zu 40 Millionen in die Steuerkassen Frankreichs spülen und wird auch auf anderen Naschwaren erhoben, die Palmfett enthalten. Anders als die TV-Werbung glauben machen will, ist ja Nutella kein unverzichtbares Grundnahrungsmittel, sondern ein kalorienreiches Ärgernis, ein Luxusartikel, der durchaus verteuert werden kann. Dann wird die braune Paste vielleicht auch nicht mehr im 5-Kilo-Kübel angeboten…

Interessant an dem französischen Experiment ist allerdings, dass der Ertrag dieser Steuer die Sozialkassen sanieren soll und nicht etwa in die Aufklärung über vernündftiges Ernährungsverhalten investiert wird.




14/11  Ausgesteuert

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:30

Der Entscheid hatte damals Aufsehen erregt. Vor einem Jahr hatte Dänemark als erstes Land der Welt eine Fettsteuer eingeführt. Lange hielt man eine solche Lösung für unrealistisch. Nun war man entweder skeptisch oder neugierig-begeistert: die Dänen hatten gezeigt, dass es „machbar“ ist, eine solche Steuer – allen Unkenrufen zum Trotz – einzuführen. Gespannt wartete man, ob Freund oder Feind, auf die ersten konkreten Resultate.

Und nun kommt für viele überraschend die Meldung vom Aus. Die Steuer liess sich zwar einführen… aber in der Praxis nicht oder kaum umsetzen. Sie führte zu einer Verteuerung vieler Grundnahrungsmittel (was vor allem die unteren Einkommensklassen traf) und zu unschönen Umgehungs-Tricksereien mit Einkauf im Ausland.

Der Effekt auf eine Verhaltensänderung der KonsumentInnen war minim, die Kosten für die Umsetzung zu hoch. Um Wirkung zu zeitigen hätte die Steuer selber höher sein müssen… Und vor allem: die Besteuerung von Fett allein ist nicht ausreichend. Wenn schon, müsste auch der Zucker verteuert werden, wie dies in einigen Ländern mit den gesüssten Limonaden – der Soda-Tax – geschehen ist. Aber auch da stehen konkrete Resultate noch aus.

Formell ist dies ein Rückschlag für alle, die sich von regulatorischen Eingriffen auf dem Umweg über den Geldbeutel einen Anreiz zur Verhaltensänderung erhofft haben. De facto aber geht es darum, ganz pragmatisch die Machbarkeit verschiedenster Ansätze zu testen, von denen keiner allein die Wende und das Heil bringen kann, die nur im Verbund und bei konsequenter Umsetzung wirken werden. Davon sind wir immer noch weit entfernt.




13/11  Beruhigungstropfen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:20

Zum vierten Mal legte das Bundesamt für Gesundheit vor interessierten Kreisen Rechenschaft darüber ab, was sich im Rahmen von actionsanté im letzten Jahr getan hat. Es war schon fast ein Familien- oder Klassentreffen.

Diesmal ging es in der Hauptthematik um die Frage, wie der mündige Konsument am besten über den gesundheitsförderlichen Lebensmittel-Einkauf zu infomieren sei, aus Sicht der Konsumentenorganisationen, der Lebensmittel-Hersteller, der Gesundheitsleute und der Ernährungsspezialisten.

Gleichzeitig erhielten einzelne Anbieter die Gelegenheit, zu zeigen, was sie im Sinne einer Verbesserung der Angebote in der Pipeline haben. Migros zum Beispiel plant, den Zuckergehalt in einzelnen Joghurt-Sorten (nicht in allen) zu senken. Und zwar – in sanften Schritten bis Ende 2013 – um 5 bis 10 Prozent, je nach Produkt.

Eine Kollegin von der Ernährungsfront merkte etwas ungehalten an, dass es sich da nicht eben un eine grossartige Errungenschaft handeln könne: enthält ein Joghurt heute 19 Gramm Zucker pro Becher, so würde eine Reduktion um 10 Prozent den Konsum gerade mal um knappe zwei Gramm verringern. Auf den ganzen Tag gerechnet noch kein markantes Ergebnis…

Aber, so sagte der wissenschaftlikche Experte Prof. Roger Darioli, es sei, wenn auch ein kleiner, so doch ein Schritt in die richtige Richtung. – Etwas anderes sind die Aktionsversprechen im Rahmen von Swiss Pledge. Das sind 11 Lebensmitttel-Hersteller, die sich – analog zu gleichen Aktionen in Europa und weltweit – freiwillig verpflichtet haben, die Werbung für ihre Produkte, soweit sie an Kinder gerichtet ist, einzuschränken. Eine neutrale Stelle überwacht die Einhaltung. Diese Stelle hat berechnet, dass ein Kind in der Schweiz im Laufe eines Jahren ganze 40 Stunden lang TV-Spots für Lebensmittel zu sehen bekommt. Die Hälfte davon werben für Fastfood. Nur wenige haben gegen die Richtlinien von Swiss Pledge verstossen…

Auch das sei, wurde gesagt, letztlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein der weltweiten Adipositas-Epidemie. Aber immerhin ein Tropfen mitt beruhigender Wirkung: für das Gewissen der Hersteller, für die staatlichen Gesundheitsleute, die sich im internationalen Konsens der Aktionen befinden, und dabei gut abschneiden, wie uns ein Delegierter der Weltgesundheitsorganisation WHO freundlicherweise bescheinigt hat.




12/11  Dicke Beamte

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:45

Es gibt ein chinesisches Sprichwort: Dicke Beamte – dünne Bauern. Darin mag sich eine uralte Befürchtung artikulieren, dass ein träger, an sich unnützer Verwaltungsapparat das arbeitende Volk ausnutzt und belastet.

Solch eingewurzelte Vorurteile sind möglicherweise Schuld daran, dass es – wenn auch nicht im Gesetz ausformulierte – so etwas wie stillschweigende Annahmen gibt, dass ein staatlicher Beamter gefälligst schlank zu sein habe.

Dies führt z.B. dazu, dass in Deutschland einem Lehrer, der seinen Unterricht zwar untadelig gestaltete und bei den Schülern beliebt war, der Beamten-Status verweigert wurde, weil er einen BMI von 34 hatte. Eine Recherche ergab, dass die ungeschriebene Limite für die „Verbeamtung“ bei BMI 30 lag. Mit BMI 31-34 musste ein Kandidat gesundheitlich genauer unter die Lupe genommen werden und bei BMI 35 und mehr war dann Schluss.

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen entsprechende Berichte immer wieder, nicht nur im Falle des Lehrerberufs. Die deutsche Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung GgG hat ein ganzes Dossier solcher Fälle zusammengestellt. Auch wenn sich diese (zum Glück) nicht mit voller Stringenz auf die Schweiz übertragen lassen, geben sie doch Anlass zu Nachdenklichkeit.

Es ist nach wie vor nicht selbstverständlich, dass übergewichtigen und adipösen Menschen ohne Vorurteil gegenübergetreten wird. Nach wie vor braucht es unser Engagement im Interesse von Betroffenen. Der Kampf um Anerkennung ist noch lange nicht geschlagen, selbst wenn keine „dicken Beamten“ uns daran hindern, ihn zu führen. Aber dieser Kampf braucht Mittel. Deshalb sind wir  auf Unterstützung angewiesen. Heute mehr denn je.




11/11  Auskunft vom Arzt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:34

Um Kosten zu sparen, empfehlen die Krankenkassen, man solle nicht sofort zum Arzt gehen. Man solle es zuerst mit einer telefonischen Konsultation versuchen, sei es bei einem entsprechenden „Med-Portal“, sei es in einer Apotheke, wo man per  Bildschirm mit einem Medikus chatten kann, oder sei es online über eine Website. Auch Zeitungen bieten entsprechende Auskunftsrubriken an.

In der SonntagsZeitung gibt es eine solche: Aerzte geben Antworten. Das ist eine durchaus hilfreiche Sache, soweit eine Konsultation „à distance“ überhaupt sinnvoll und möglich ist. Die Antworten sind knapp, fachlich korrekt und freundlich. Zu denken geben gelegentlich die Fragen.

So heute. Da schrieb eine 20-jährige Frau allen Ernstes sinngemäss: Ich habe einen BMI von 20,5. Nun habe ich im Internet eine Abnehm-Pille auf pflanzlicher Basis gekauft. Kann ich diese ohne Bedenken einnehmen?

Mir blieb fast der Frühstücksbissen im Hals stecken. Himmelherrschaft, wie bescheuert muss man sein, um so eine Frage überhaupt nur zu stellen?! Hat denn alle die Aufklärungs- und Informationsarbeit, die seit Jahren auf diesem Gebiet geleistet wird, rein gar nichts gebracht? Wer einen BMI von 20 hat, der lebt im unteren Segment des „Normalgewichts“ (BMI 18-25), der soll froh und glücklich sein, dass er sein Gewicht so toll im Griff hat und niemals auch nur im Entferntesten daran denken, abzunehmen.

Und auf keinen Fall mit einem Präparat, das per Online-Apotheke erstanden wurde: hier lauert das Verderben auf dem Sprung. In den meisten dieser Produkte wurden Schadstoffe und schädliche Komponenten gefunden, die bei uns im Markt gar nicht zugelassen sind. Sie können nachhaltige Schädigungen einzelner Organe und der Gesundheit auslösen.

Die auskunftsgebende Ärztin hat all dies auch gesagt, mit freundlichen, wohlgesetzten Worten. Sie hat der jungen Frau empfohlen, höchstens unter ärztlicher Aufsicht ans Abnehmen zu gehen, wobei sie dies ja eigentlich wirklich nicht nötig habe. – In solchen Momenten bedauert man die Institution der Ferndiagnose. Da möchte man den fragenden Patienten gleich zur Hand haben, um ihm eine scheuern zu können… was dem Hippokratischen Eind zwar nicht ganz entspräche – aber manchmal vielleicht Wirkung zeigen könnte. Eine ganz andere Frage wäre allerdings die nach dem Motiv: weshalb meint denn die Fragerin, mit BMI 20,5 „zu dick“ zu sein?




10/11  Es gut sein lassen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:10

Ich mag die Kolumnen von Michèle Roten in MAGAZIN des TagesAnzeigers. Diesmal schreibt sie den Frauen ins Gewissen. Sie sollen sich nicht selber ins Unglück stürzen dadurch, dass sie unentwegt einem Perfektions-Ideal nachjagen und sich damit unter permanenten Stress setzen.

Sie sollten sich entspannen, die Dinge lockerer nehmen und „es“ auch mal „gut“ sein lassen, ohne dass es perfekt ist. Dazu gibt sie eine Art Verhaltens-Kodex heraus,einen Appell, was Frauen tun und bedenken sollen, um eine Änderung der Zustände herbei zu führen. Eine der insgesamt 14 Appell-Botschaften hat es mir besonders angetan. Es ist die Nummer 11 und sie lautet so:

Frauen – jetzt mal im Ernst, hört endlich auf mit dem Diätquatsch! Euer Körper funktioniert, es ist in Ordnung! Macht Sport nur dann, wenn es euch Spass macht! Den Männern ist es ABSOLUT EGAL, ob ihr drei Kilo mehr draufhabt oder nicht!

Und wenn es einem von ihnen nicht egal ist, möchte man ergänzen, dann ist es nicht schade um ihn, dann schiesst ihn in den Wind und nehmt einen andern, lasst euch nicht wegen eurer Figur terrorisieren und terrorisiert euch vor allem nicht selber.

Das ist natürlich leicht gesagt, das wird auch Michèle bewusst sein, denn tief in uns drin funktionieren Mechanismen, die uns eine ganze Gesellschaft über Jahre anerzogen hat, wenn uns unsere Eltern nicht beigebracht haben, uns um das, was andere sagen oder denken könnten, nicht zu kümmern und den Weg zu gehen, den wir für uns als den richtigen erkannt haben. Aber es tut gut, dass es wieder mal gesagt wurde.




9/11  Totgesagte leben länger

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:00

Es gibt Nachrichten, die sind nicht unter zu kriegen. Vor zwei Monaten ging die Meldung um die Welt, ein zum Tode verurteilter US-Häftling habe Einspruch gegen seine Hinrichtung erhoben, weil er zu dick sei für die Giftspritze, da man im Fett seiner Arme die Venen nicht finden würde.

Nun taucht die genau gleiche Meldung nach 12 Wochen wieder als neue Aktualität auf. Dabei wurde an dieser Stelle bereits beim ersten Mal über den Fall berichtet. Was ist los? Sind die Dicken von heute die Meeresungeheuer von früher? Ist es immer gut, wenn sonst flaue Gurkenzeit herrscht, einen Fettwanst durch die Gassen zu schleifen? Die hat man gern: nicht nur dick, sondern auch noch kriminell dazu! Und dann Ansprüche stellen! Nicht etwa in aller Demut und Ruhe sein Schicksal akzeptieren, sondern frech auf einem wenigstens würdevollen Ableben bestehen! Was fällt denen bloss ein..?

Es ist wohl ein schwieriges Unterfangen, sich „positive“ Schlagzeilen rund um übergewichtige Menschen vorzustellen. Etwa in dem Sinne, dass ein kleines Kind dadurch vor dem Ertrinken gerettet wurde, dass es sich an einer dicken Frau festhalten konnte, die bei der Überschwemmung im Wasser trieb? Kaum wahrscheinlich. Dann viel lieber die News von der dicken Mutter, die ihr Kind im Schlaf erdrückt hatte.

Ein 181 Kilo schwerer Mörder, heisst es, konnte nicht gehängt werden, weil sonst die Gefahr bestand, dass ihm bei lebendigem Leib der Kopf abgerissen würde. Er erhielt statt dessen lebenslänglich und starb dann aus eigenem Antrieb. Einer der raren Momente, in denen Übergewicht lebensverlängernd wirkte.