1/2  Lob der Schokolademilch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:56

Es war vor 60 Jahren. Für den Turnunterricht mussten wir im Progymnasium Bern jeweils vom Waisenhausplatz hinunter an die Aare in die Altenberg-Turnhalle. Im Vorraum bei den Garderoben gab es einen Automaten. Wer es vermochte – und das waren nicht alle – liess sich dort nach der Sportstunde ein Glasfläschchen heraus. Dieses war mit einem Aluminiumdeckel mit Abzugslasche verschlossen und enthielt Comella.

In kleinen und kleinsten Schückchen sürfelten wir das süsse Getränk, liessen es über unsere durstigen Zungen gleiten wie eine zärtliche Liebkosung, behielten die kleine Menge noch etwas im Mund, kosteten ihre Süsse voll aus und schluckten schliesslich behutsam den ausgeschmeckten Rest hinunter, um ja kein Tröpfchen davon ungenossen zu verschwenden…

Aber wir wussten, dass das eigentlich ein Luxus war, ein Genussmittel, kein banales Getränk – und vor allem kein Durstlöscher, im Gegenteil. Wenn der letzte Rest des dunkelbraunen Bodensatzes aus dem Fläschchen geschwenkt war, führte uns der steile Weg am Aareabhang wieder hinauf in die Stadt, zur nächsten Schulstunde.

Später dann, im Militär, lehrte uns Väterchen Staat, dass es richtig ist, nach grosser körperlichen Anstrengung wie etwa einem Nachtmarsch oder dem 100-Kilometer-Lauf die ausgeschwitzte Flüssigkeit und das verlorene Salz zu ersetzen. Es gab Bouillon zu trinken aus dem Gamellendeckel oder einer Plastikkachel..

Dann kam der John Valentine Fitness-Club: der Urahn des modernen Fit-Well-Chics, Kraft- und Ausdauertraining, kombiniert mit Saua und Wellness, in gediegener Privatatmosphäre, und an der Theke gab es erstmals diese Isotonischen Getränke, mit denen der Energiehaushalt blitzartig wieder aufgepeppt werden konnte…

Heute weiss man, dass es diese Energiebomben gar nicht braucht, um den Sportler wieder in Schuss zu bringen. Wasser würde absolut genügen, um den Durst zu löschen, die Flüssigkeit zu ersetzen. Eine ausgewogene, mässige Ernährung trägt das ihre dazu bei, dem Körper alle notwendigen Lebenssubstanzen zu liefern.

Und da flattert uns jetzt ein Newsletter der Schweizer Milchproduzenten ins Haus, der in höchsten Tönen den gesundheitlichen Nutzen körperlicher Bewegung preist (das ist verdienstvoll und schön), und gleichzeitig als das ideale Getränk für den nötigen Energieausgleich die Schokoldemilch in ihren vielfältigen Ausprägungen empfiehlt, als „multifunktionales Getränk“, das nicht nur wohlschmeckend sondern auch kosengünstig sei und dem sportgebeutelten Organismus wahre Wohltaten zu erweisen vermöge…

So hätten wir kleinen Pennäler damals instinktiv und in hellsichtiger Vorwegnahme späterer Entwicklungen schon richtig reagiert und die süsse Schoko-Tunke zu unserem favorisierten Sport-Drink erkoren!? Ich kann es nicht glauben, dass man nach so vielen Jahrzehnten nicht weiter gekommen ist.