10/3 Das Training ruft
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:07 |
Vom Bett aus fällt mein erster Blick nach dem Erwachen auf den Hometrainer. Dieser steht beim Fenster in der Nische und wenn die frühe Sonne darauf scheint, blitzen seine verchromten Metallteile wie gefährliche Waffen. Die mit Schaumstoff überzogenen Haltebügel wölben sich nach oben, hinten glänzt der Sattel wie eine hochmütig gereckte Nase als wollte er sich über mich lustig machen.
Der Arzt hat gesagt, sich solle versuchen, jeden Morgen etwas eher aufzustehen und noch vor dem Frühstück mein Pensum auf dem Trainer zu absolvieren. Das wäre nicht nur der Fettverbrennung dienlich, sondern auch dem Muskel-Aufbau und dem ganzen Grundumsatz. Das alles hätte ich auch so gewusst.
Ich habe mich an den medizinischen Rat gehalten und es versucht. Leider ist es dann beim Versuch geblieben. Nach dem morgendlichen Erwachen geniesse ich es, die Nachtwärme zwischen den Laken noch so lange wie möglich auszukosten. Die Maschine, die sich beim Fenster so bedrohlich in mein Blickfeld schiebt, löst in mir drin einen diffusen Abwehrreflex aus. Ich muss ihr fern bleiben, sie verheisst mir nichts Gutes…
Dabei gibt es durchaus auch positive Erinnerungen, zum Beispiel an die angenehme Ermattung, mit der ich nach früheren Trainingsversuchen jeweils ins Bett gesunken bin… und das gute Gefühl, wirklich etwas Nützliches getan zu haben, um den Körper fit zu halten, auch wenn es längstens nicht die zwei Stunden sind, von denen andere Sportsleute berichten. Ich kenne Menschen, die haben vor ihren Trainern besondere Bildschirme installiert, auf denen sie Videos von Rad-Touren laufen lassen, die sie dann nachfahren, stilecht, aber schön am Trockenen, stundenlang, durch die ganze Schweiz, die sie so schon mehrfach abgefahren haben.
Ich habe es früher mal mit dem Fernseher versucht. Aber das Zappen hat mich immer wieder aus dem Tretrhythmus gebracht und wenn der Krimi richtig spannend wurde, habe ich vor lauter Nervenkitzel vergessen in die Pedale zu treten… Irgendwie haben wir den Draht zueinander auch nach all den Jahren noch nicht gefunden. Und trotzdem will ich wenigstens die Hoffnung nicht aufgeben, dass noch einmal etwas aus uns werden könnte. Es muss ja nicht unbedingt am Morgen sein.