10/4  Die Vorstellung von der Vorstellung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:11

Es war eine Wiederholung im Nachtprogramm. Aber da das Thema ja zeitlos ist, stösst es immer auf Interesse. Im Nachtcafé des Südwestrundfunks gings ums Abnehmen. Ich habe mir nicht die ganze Sendung angeschaut, denn es ist und bleibt immer die mehr oder weniger gleiche Litanei, die man da herunterbeten muss… (von der Sache her geht es gar nicht anders) und fast sah es aus, als langweilten die Argumente inzwischen sogar den Moderator, der sich sonst doch als Ausbund an Toleranz und unauffälliger Neugierde zu geben weiss.

Bevor ich zugunsten meiner ohnehin schon verkürzten Schlaf-Zeit wieder wegzappte blieb mir ein Satz in der Erinnerung haften. Formuliert wurde er von einer Dame, die sich von früher Kindheit an mit Essen getröstet hatte, zu happigem Übergewicht aufgelaufen war und dann mit Meditation den Weg zu innerer und äuserer Balance gefunden hatte, nachdem sie vorher eine „Diät“ nach der andern ausprobierte, ohne nachhaltigen Erfolg.

Das Schlimmste, sagte sie, sei doch, dass man während einer Diät an nichts anderes denken könne als an das, was man dann essen werde, wenn die Diät abgeschlossen sei. Für diese Aussage erntete sie spontanen Applaus aus dem Publikum und tatsächlich spiegelt er sehr genau die Nutzlosigkeit aller Diäten: wenn man sich das „Ende“ herbeisehnt uned sich darauf freut, „wieder normal“ essen zu können, dann ist der Versuch breits gescheitert und der Jojo-Effekt programmiert.

Es erinnert mich an die Schilderungen von Schiffbrüchigen, die – dem Verhungern nahe – auf dem Meer treiben und heimgesucht werden von Wahnvorstellungen in allen Düften, Farben und Geschmacksrichtungen. Die sich die Zeit vertreiben mit der gegenseitigen Beschreibung dessen, was sie sich vorstellen, was sie zu Essen kriegen, wenn sie erst gerettet sind… und es bleibt nicht nur bei der Vorstellung von der Vorstellung… die vermeintlichen Wahrnehmungen werden „echt“, manifestieren sich in den Geschmacksknospen, lassen das Wasser im Mund sprudeln und die Magensäfte gurgeln… und sind eben doch nur Wahnvorstellungen, erzeugt durch ganz simples Suchtverhalten. Vielleicht helfen sie unter diesem Umständen bis zur Errettung aus der Seenot das Überleben zu sichern… aber bei einer Diät sind solche Vorstellungen der absolute Todesstoss.