18/4 Das weisse Wunder
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 15:30 |
Sie ist die Lebensspenderin par Excellence. Sie macht nicht nur manches wieder gut und müde Männer munter, sie ist immer schon als erste auf den Berggipfeln und soll extra starke Knochen machen: die Milch.
Die Natur hat es so eingerichtet, dass neu geborene Säugewesen über die Muttermilch alle notwendigen Bausteine zugeführt erhalten, um aufzuwachsen und den Kampf des Lebens bestehen zu können. Und unsere Zivilisation hat die Milch und die aus ihr hergestellten Produkte zu wesentlichen Pfeilern unserer Nahrung erklärt.
Milch sei so etwas wie ein Wunderheilmittel, suggeriert uns die rührende Geschichte von Heidi und der behinderten Klara in den Bergen, die wieder gehen konnte, nachdem sie Alpöhis frische Ziegenmilch getrunken hatte… Aber fragt man die heutigen Kids, woher der weisse Lebenssaft denn komme, sind viele fest davon überzeugt, dass der im Tetrapack heranwächst.
Milch ist zu einem der bedeutendsten Landwirtschafts-Faktoren geworden und die überlieferte Idylle vom freundlichen Bauern, der seine Tiere mit Namen kennt und ihnen liebevoll übers Euter streichelt, ehe er ihnen schonend die Milch entlockt, ist trügerisch geworden. Die Margen sind so knapp, dass existenzsichernde Gewinne nur noch mit grossindustrieller Massenhaltung zu machen sind. Aus der sanftäugigen Kuh ist ein dauerschwangerer Höchstleistungs-Apparat geworden, gezüchtet um unter gesundheitlichen Risiken hochkonzentriertes Kraftfutter zu Milch zu verarbeiten, die ihrerseits industriell weiter verarbeitet, in ihre chemischen Bestandteile zerlegt und wieder zusammengepanscht wird, bis die bunte Palette von flüssigen und festen Milchderivaten entsteht, welche die Regale im Supermarkt füllen. An den Geschmack von Milch frisch vom Bauern müsste man sich erst wieder gewöhnen.
Interessant ist ja auch, dass wir hauptsächlich auf die Milch fixiert sind, die von Kühen kommt. Die von Ziegen oder Schafen sei – sagen Kenner – zwar „besser“… aber wir kennen sie nicht und rümpfen die Nase. Milch vom Pferd oder vom Esel… da schaudert uns, obwohl es ganze Zivilisationen gibt, die damit überlebt haben.
Dabei – und das ist eine neuere Erkenntnis – ist der Milch-Konsum durch erwachsene Menschen nicht ohne Risiko, das zeigen aktuelle Untersuchungen und Kontroversen unter Ernährungswissenschaftern. Dieses spezielle Spannungsfeld wird sehr informativ ausgeleuchtet durch eine Filmdokumentation des Norddeutschen Rundfunks NDR: Die Milch-Lüge.