7/5  Aufsteller

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:43

Am Morgen bin ich mit dem Flyer unterwegs ins Büro. Es ist keine weite Fahrt, aber sie führt ein Stück weit bergauf, den Tramschienen entlang, dann steche ich querüber in eine Seitensrasse, fahre wieder etwas aufwärts (wobei ich dankbar bin für die elektrische Unterstützung beim Treten) und nehme schliesslich eine Abkürzung über einen Parkplatz durch einen Hinterhof. Nach drei Minuten bin ich am Ziel.

Der Weg zwischen den parkierten Autos hindurch führt mich an der Hinterseite einer Zeile von schmalen Häusern vorbei. Hier befinden sich Balkone, auf denen sich manchmal unkonventionelle Lebenssituationen abspielen. Bis vor zwei Jahren hatten wir unsere Büros auf der andren Seite dieses Hofes und konnten das Treiben auf den Balkonen mit Muse beobachten. Im Gedenken an die alte Nachbarschaft habe ich mir angewöhnt, jeweils im Vorbeifahren fröhlich „Hallo!“ zu rufen, wenn jemand draussen zu sehen ist.

Heute bemerkte ich eine ungewohnte Geschäftigkeit auf einem Balkon im Parterre: ein Mann kletterte von aussen über die Brüstung, mehrere Leute standen beisammen un schienen etwas zu diskutieren… Eine gute Gelegenheit für meinen freundnachbarlichen Morgengruss, dachte ich, und wünschte einen ebensolchen.

Eine Frauenstimme antwortete. Mit geheuchelter Anteilnahme rief sie – unter dem Gelächter der Umstehenden: „Oh, das arme Velo!!!“

Wie reagiert der besonnene Hausvater in einer solchen Situation? Am besten gar nicht ignorieren… wäre wohl die weiseste Haltung. Aber ich war heute früh nicht weise. „Ok!“ rief ich zurück, „Und was ist wohl besser: dick oder dumm?“ – Ob die Dame auf dem Balkon nochmals reagierte, weiss ich nicht. Ich war schon um die Ecke geflitzt und den schmalen Weg hochgesaust, der zum Garten führte, in dem unser Pavillon steht.

Mal schauen, wer morgen draussen ist.