10/12  Erinnerungen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:29

Nostalgie ist angesagt. Bei der Lektüre dieses Newsletters aus der eidgenössischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Agroscope befallen mich fast wehmütige Gedanken. Die entscheidenden Jahre meiner Kindheit und Jugend habe ich in unmittelbarer Nähe dieser Institution verbracht, auf der andern Seite des schimmernd grau gestrichenen Zauns aus solidem Maschendraht. Vielleicht schien der Zaun nur deshalb so solide, weil im Laufe der Zeit so viele Schichten der grauen Farbe übereinander gepinselt worden waren.

Mein Vateer arbeitete in den Versuchslabors und erforschte die Zusammenhänge zwischen der Ernährung der Nutzviehs und der Qualität der Milch, und weil er also zu den Insidern gehörte, durften auch wir gelegentlich das streng umzäunte Gelände betreten. Sei es, um Vater am Abend abzuholen… dann war es immer mit dem Risiko verbunden, dass seine Mitarbeiterin, Fräulein K., gerade eine Knoblauchkur machte und so streng roch, dass man sich nicht in ihre Nähe wagte, oder sei es, um zu unserem kleinen Pflanzblätz zu gelangen, auf den die Familien der Angestellten ein angestammtes Recht hatten: sechs auf sechs Meter etwa, mit einigen Stangenbohnen, Lattich, Erbsen am Strauch, vielen Blumen und vor allem mit Rhabarberpflanzen.

Ihre riesigen Blätter hatten es mir angetan, denn in deren Schatten sammelten sich oft die schönsten Häuslein-Schnecken, und die Stengel waren eine heiss geliebte Speise: die harte äusserste Haut wurde abgeschält und der innere, etwas weichere Kern mit dem Ende in ein Schälchen mit Kristallzucker gestupst und dann abgebissen. Zum einen war dies eine der wenigen Gelegenheiten für uns, an Zucker zu kommen, zum andern aber enthielt dieses natürliche Dessert viel gesunde Faserstoffe… Man gönnte sich ja sonst nichts.

Auf halbem Weg vom Pflanzblätz zur Eingangspforte im Zaun hatte es ein riesengrosses Bienen-Modell, denn im Institut wurde auch die Honig-Produktion erforscht. Mit Schaudern gingen wir an diesere Mega-Biene vorbei und stellten uns vor, wie weh es tun müsste, wenn sie uns mit ihrem gewaltigen Stachel-Rohr… nicht auszuhalten!

Durch diese nostalgisch angelaufene Brille habe ich heute den Agroscope-Newsletter gelesen, der viel Wissenswertes über einheimische Lebensmittel rund um die Milch enthält. Geforscht wird noch immer.