12/2  Aber bitte mit Schwarte

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:44

Zurzeit fegt eine richtiggehende Aufklärungswelle durch die deutschen TV-Kanäle. Mindestens dreimal habe ich in den letzten Tagen sehen und mit verfolgen können, wie die verschiedenen Schinkenprodukte hergestellt werden und wodurch sie sich unterscheiden.

Früher war alles einfacher. Als ich meine freie Zeit noch auf dem Bauernhof verbrachte, war die Schinken-Produktion simpel und verlässlich: dem geschlachteten Schwein wurden die Beine abgetrennt, der Oberschenkel mitsamt den grossen Knochen wurde etwas geputzt und kam dann am Stück in eine grosse Kiste voller Salz, die im oberen Stock des „Stöckli“, über der Waschküche, gelagert wurde… vier solcher Kisten gab es, in die Zwischenräume wurden noch jene Speckseiten ins Salz gepackt, die nicht im grossen Rauchfang aufgehängt wurden, das gab dann den „grünen Speck“. Im Jahr darauf wurde der Schinken angeschnitten. Eine köstliche Gaumen-Erinnerung.

Wenn ich nun den TV-Reports folge, ist die Welt nicht mehr heil. Sogar der „natürliche“ Metzgerschinken wird aufs Übelste malträtiert: der Knochen wird entfernt, das Stotzenfleisch in zwei Hälften geteilt. Die Fleischseite mit dem Messer eingeritzt, dann kommt das Fleisch in eine Foltermaschine wie bei Kafka, wo lange Nadeln eine Salzlösung einspritzen, dann werden die Stücke von Hand geformt und in Plastikfolie fest eingewickelt und verschnürt, worauf sie in den Ofen wandern und gar gekocht werden…

Der Unterschied zum industriell gefertigten Kaufhausschinken ist nur graduell. Auch dieser besteht – so wird betont – einzig aus Stücken vom Stotzenfleisch, die zuerst auch mit der Nadelmaschine gepiekt, dann aber mit einer Lösung aus verschiedenen Bindemitteln in einer Trommel stundenlang gewalkt werden, ehe sie mit Druck in einen Plastikschlauch gepresst und anschliessend im Ofen gegart werden.

Weit weg ist das Schweinchen, das fröhlich quiekend auf dem Bauernhof herumspaziert… und die Botschaft der Reportagen ist mir auch nicht ganz klar geworden: es scheint nicht so sehr darauf anzukommen, für welchen Schinken man sich beim Kauf entscheidet, unterschiedlich sind zwar Verarbeitung und Hilfsstoffe (die oft als solche nicht einmal deklariert werden müssen), aber Fleisch ist Fleisch… Bloss an der Schwarte kann man den Metzgerschinken erkennen. Aber die wird nicht gegessen.