3/7  Süsse Gefahren

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:18

Ein Schreckgespenst geht wieder um. Süssstoffe als Zuckerersatz würden Dicke dicker machen und Krebs erzeugen. So verkündete es ein TV-Bericht, in dem der umtriebige Udo Pollmer zu Wort kam. Die Warnung ist nicht neu. In regelmässiger Folge erscheinen Studien, die solche Aussagen machen, und ebenso regelmässig erscheinen Gegengutachten, die diese Studien entkräften. Das einzige, was wir wissen, ist die Erkenntnis, dass wir es doch nicht wissen. Ganz nach dem Motto: Nichts Genaues weiss man nicht.

Unlängst hörte ich ein Referat des Ernährungswissenschaftlers Prof. Dr. Jürgen König aus Wien, der im europäischen Aufsichts-Organ für Lebensmittel-Sicherheit sitzt und der darlegte, dass durch alle bisherigen Studien in dieser Sache keine relevanten Risiken der Süssstoffe schlüssig nachgewiesen seien. Deshalb gilt für mich die Maxime, dass der effektive Schaden für die Gesundheit, der durch ein Zuviel an Zucker angerichtet wird, schwerer wiegt als eine eventuelle, noch nicht nachgewiesene Schädigung durch Süssstoffe.

Und nun nimmt die Diskussion nochmals eine neue Wendung, indem ein Zerwürfnis innerhalb der Zucker-Szene selber angezeigt wird. Offenbar – so berichtet die Ernährungswissenschaftlerin Laura Jones – gehen viele Lebensmittel-Konzerne bei der Herstellung  von Convenience-Food dazu über, den Fruchtzucker Fructose durch die günstigere Glukose (z.B. im Mais-Sirup) zu ersetzen. Die beiden Zuckerarten schlagen zwar mit gleich viele Kalorien zu Buche, aber sie werden vom menschlichen Stoffwechsel unterschiedlich verarbeitet. Fructose kommt in der Natur in Früchten und Honig lediglich in sehr kleinen Mengen vor und war früher das einzige Süssmittel der Menschen. Sie wird bei der Verdauung fast vollständig von der Leber gespeichert und wohldosiert wieder freigegeben. Glucose hingegen gelangt direkt in die Blutbahn und zu den Zellen, wo überschüssige Mengen in Fett-Depots umgegwandelt und eingelagert werden.

Laura Jones fordert deshalb die Industrie auf, die zunehmende Substitution von Fructose durch Glucose zu unterlassen, um so einen Beitrag zu leisten im Kampf gegen die grassierende Adipositas-Epidemie. Denn der steigende Glucose-Verbrauch verlaufe parallel zur zunehmenden Anzahl Adipositas-Betroffener weltweit. – Ein kritischer Blick auf die Lebensmittel-Deklaration lohnt sich also allemal, sofern nicht findige Anbieter wieder neue Fantasie-Bezeichnungen für die „gefährlichen“ Zuckerarten erfinden…




1/7  Mamas Aroma

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:59

Diese Entwicklung wird Toni Bortoluzzi keine Freude bereiten. Wie offenbar so manches in seiner kleinen Welt. Denn sie bedeutet, dass Mutti definitiv nichts mehr am heimischen Herd verloren hat.

Wir erinnern uns gern an den verwirrenden und betörenden Reichtum von Gerüchen und Aromen, welcher zuhause die Küche erfüllte, wenn Mutter an heiligen Daten ein Festtagsmenü zubereitete… oder da ist das nostalgische Gourmet-Panorama der kulinarisch-olfaktorischen Impressionen vom Bauernhof, wenn in tagelanger Vorarbeit die üppige Tafel für das Sichlete-Essen – das Erntedankfest – zubereitet wurde und die Pfannen auf dem Herd dampften, brutzelten, kochten, was das Zeug hergab, bis der gespickte Braten, das Lammvoresen in der Zitronensauce, die traditionelle Bernerplatte mit gedörrten Bohnen und Sauerrüben wuchtig in den Platten prunkten… und bis das letzte Schlüfchüechli ausgebacken war.

Die in der häuslichen Küche vom eigenen Personal angefertigten Speisen zeichnen sich durch einen besonderen, heimatlichen Geschmack aus, der uns ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt: Mamas Küche eben, hier sind wir zuhause, nirgends auf der Welt schmeckt es so wie bei Muttern..!

Aber was, wenn das kochende Hausmütterchen immer mehr vom Herd verdrängt wird, durch den allmächtigen Zeitgeist und andere moderne Erscheinungen, von der Emanzipation ganz abgesehen..? Können kochlöffelschwingende Väter – Hausmänner – deren Rolle und Platz übernehmen? Wohl kaum, nur rein quantitativ nicht.

Aber keine Sorge: schon springt die allgegenwärtige Nahrungsmittel-Industrie in die Bresche und zaubert aus den Givaudan-Laboratorien neue und wundersame Aromen. Das Ding heisst mit Namen TasteSolutions Richness und soll jene spezifischen Geschmackskomponenten in die massenweise angefertigten Lebensmittel zurückbringen, die bisher im industriellen Kochstil noch nicht reproduziert werden konnten.

So schmeckt dann das neue Convenience-Food nicht mehr wie aus der überdimensionierten Gulaschkanone, sondern „genausogut“ wie früher, als das Mütterlein noch eigenhändig am Kochherd werkelte. Dank Givaudan ist es vom Kochdienst dispensiert und kann sich – Toni erschauderts – allenfalls sogar der Politik zuwenden.