10/9  Hauchdünn in die Zukunft?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:15

Gib uns unser täglich Brot. Ein Lebensmittel, das im zentralen Gebet des Christentums namentlich erwähnt wird, muss es in sich haben. Es steht deshalb sinnbildlich für „Nahrung“ an sich und geniesst einen besonderen emotionalen Status. Brot wegzuwerfen galt in unserer Jugend als Versündigung schlechthin. Noch die letzte Krume wurde genutzt, und wenn es nur als Vogelfutter gewesen wäre.

In der heutigen Zeit und angesichts des herrschenden Anti- und Low-Carb-Trends hat das Grundnahrungsmittel allerdings einen schweren Stand. Frisch sollte es sein, duftend durch die Rayons der Supermärkte, knackig und knusprig, und wenn es am folgenden Tag steintrocken und hart geworden ist, schmeisst man es weg, ohne moralische Bedenken…

Auf dem Bauernhof wurde einmal im Monat gebacken: zweiunddreissig grosse Laibe von drei Kilo… die wurden im Abgang zum Keller auf einem Brett schön aufgereiht, für jeden Tag ein Brot, mit etwas Reserve, und es war selbstverständlich, dass das letzte Brot schon etwas „ältlich“ schmeckte, wenn es zum Verzehr gelangte, und zäher war als die frisch gebackenen, aber man kannte nichts anderes und freute sich schon auf die neue Serie.

Die Anzahl der Brotsorten ist explosionsartig gewachsen. Jeden Tag oder doch jede Woche eine Neu-Kreation, ein besonderer Teig, eine spezielle Getreide-Art oder eine ausgefallene Würzmischung, Brot mit Nüssen, Kartoffeln, Kürbis- oder Sonnenblumenkernen, Oliven und so weiter…

Und nun kommt als neuster Trend das hauchdünne Schnittchen auf uns zu: Bäckerei-Experten haben herausgefunden, dass dafür, nachdem es in Amerika den Markt in Windeseile erobert hat,  in Europa eine riesige Nachfrage bestehen dürfte. Nicht für die bereits eingeführten dünnen Krackers, sondern für feine Scheiben aus weichem Brotteig, die sich für belegte Brötchen oder für Sandwiches nutzen lassen, mit verschiedenem Teig-Charakter und dem offenbar gesuchten Vorteil, pro Stück „weniger Kalorien“ zu haben.

Selbstverständlich  können solche Backwaren nicht in Mutters Küche selber angefertigt werden. Dazu braucht es spezialisierte Maschinen, Backöfen, Verpackungsanlagen… und natürlich ein ganzes Arsenal an Frischhalte-Zutaten, damit die abgepackten Portionen auch den Transport und die Lagerung gut übestehen.

Also exakt das Gegenteil von dem, was eigentlich zu empfehlen wäre für eine „gesunde“ Ernährung: Frischprodukte aus der Region, naturbelassen und ohne industrielle Fertigung. – Kein Zweifel: die „Dünnies“ werden hervorragend schmecken und ein beachtliches Suchtpotenzial aufweisen… Vielleicht ist jetzt doch der Moment gekommen, einen Backautomaten anzuschaffen und das tägliche Brot selber herzustellen…