26/9 Rekreation
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 20:33 |
Der heutige Tag war hart. Am Abend winselt jeder Muskel um Gnade und das Knie schmerzt vom vielen Gehen – ich überlege mir, ob es nicht doch besser wäre, Schmerzmittel zu verlangen. Dabei waren nicht alle Therapie-Angebote gleichermassen belastend. Sieben Lektionen gab es heute zu absolvieren. Am einfachsten war die Rekreation.
Das geht so: Nicht nur das körperlich-organische Funktionieren soll hier wiederhergestellt werden, es geht auch um das geistig-seelische Wohlbefinden. Viele der Patientinnen sind durch ihre Krankheit in ihrer persönlichen Entfaltung eingeschränkt und können manches nicht mehr tun, was ihnen früher viel bedeutet hat. Sie können nicht mehr unter die Leute, nicht mehr auf Reisen, ihren Hobbies nicht mehr nachgehen… und am Ende der Spirale lauern Vereinsamung und Depression.
Um dieser Entwicklung vorzubeugen gibt es eine Rekreations-Abklärung, in der ermittelt wird, was die Leute vermissen und womit sie dies allenfalls kompensieren könnten. Wir führen ein Gruppen-Gespräch. Drei Männer und die Therapeutin. Sie hat unsere Krankenblätter studiert und weiss bereits einiges, das wir beim Eintritt ausgeführt haben. Jetzt entlockt sie uns behutsam unsere Ansichten und Erwartungen, die natürlich von Patient zu Patient unterschiedlich sind. Einer von uns ist im Rollstuhl, früher war er Bauer und der Aufenthalt in der freien Natur und bei den Tieren bedeutete ihm alles. Jetzt ist er im Ruhestand, aber in seiner Beweglichkeit eng begrenzt. Er lernt hier, dass er in der Hippotherapie mit Pferden arbeiten könnte – und blüht sichtlich auf beim Gedanken an diese Möglichkeit. Ein anderer ist in Behandlung wegen einer Lähmung. Hier wird klar, dass die Mitwirkung in einer Trommelgruppe mit Bongos für die Koordination seiner Bewegungen hilfreich sein könnte.
Ich selber erweise mich eher als beratungsresistent: zur Jass-Gruppe möchte ich nicht, dafür spiele ich nicht gut genug, Batik-Malen oder mit farbiger Wolle Tierlein basteln erfüllt mich nicht mit besonderem Lebensmut, auch dem Aquarell-Malen habe ich seit der Zeit in der Lehramtsschule abgeschworen, als es galt, das zeichnerische Rüstzeug für den Lehrerberuf zu erwerben… selbst die Gesangsgruppe ist nicht mein Ding, da wird in der verbleibenden Woche mit Sicherheit kein Bariton mehr aus mir.
Es sei, sagt Angela, die Therapeutin, alles freiwillig, keiner müsse etwas tun, das ihm nicht Spass mache. Ich bin einmal mehr beeindruckt von der professionellen Qualität und Sorgfalt, mit der hier gearbeitet wird. Am Samstag steht für mich nur eine Lektion im Wasser auf dem Plan. Der Rest ist frei für mein persönliches Rekreations-Programm, das leider in keiner Liste aufgeführt ist: fürs Plegern.