4/10  Weekend 2

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:55

Am Morgen eine einzige Lektion: Wassergymnastik in der Gruppe. Das Thermalbad ist warm, fast heiss, für manche ungewohnt. Wir üben alle möglichen Arten zu gehen, auf den Fersen, den Zehenspitzen, vorwärts, rückwärts, seitwärts, die ganze Bassin-Länge, vom niedrigen bis ins tiefe Wasser, und es ist spannend, zu erleben, wie das eigene Körpergewicht sich „verändert“, je nachdem, wie viel davon oberhalb und wie viel unterhalb der Wasserfläche ist.

Als ich nach dem Duschen aus der Umkleidekabine trete, steht im Eingang zum Bad ein reichlich dicker Mann und sieht mich an. Mit seinem Finger zeigt er auf mich und sagt: Sie sind doch der Journalist! – Ich entgegne, das lasse sich nicht abstreiten. – Der Übergewichts-Professor! sagt der dicke Mann mit breitem Grinsen. – Ja, sage ich, man sieht es… Wir lachen zu zweit.

Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass man mich „erkennt“. Immer mehr MitpatientInnen sprechen mich an auf einen TV-Auftritt, auf einen Artikel oder erinnern sich an meine Stimme vom Radio, wenn auch oft verbunden mit einem fragenden Unterton, ob ich „es“ denn auch wirklich sei. Und ich frage mich, wie es denen geht, die „richtig“ bekannt sind, die fast täglich auf dem Bildschirm zu sehen sind, die keine Privatsphäre mehr haben und sich nirgends inkognito bewegen können, ohne dass man sie beobachtet oder anspricht…

Aber so schlimm ist es zum Glück nicht, im Gegenteil, man kommt ins Gespräch als Leidensgenossen im Therapie-Prozess und gewinnt so etwas wie spontane Vertrautheit. Wir sitzen im gleichen Boot.