11/3  Studieren geht über Studieren

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:38

Wir hatten im Büro eine hitzige Diskussion. Es ging darum, ob wir uns bei der Inserate-Akquisition auch um Firmen bemühen sollten, die Gesundheits-Produkte aus dem Bereich der eher esoterisch angehauchten Naturmedizin anbieten.

Zwei Meinungen standen sich gegenüber: wer medizinisch glaubwürdig sein will, darf keine solchen Ausflüge auf das ungesicherte Terrain dessen machen, das von Experten als „Woodoo“ bezeichnet wird – und: wenn solche Präparate auch nur in einem einzigen Fall geholfen haben, dann erfordert es die objektive Neutralität, dass man auch darüber berichtet.

Obsiegt hat die schulmedizinische Auffassung, denn sie wurde vom Chef vertreten. Dazu kommt, dass in kaum einem Bereich die Wundergläubigkeit so gross ist wie im Abnehm-Business und dass in keinem anderen Krankheitsgebiet bei Blindversuchen der Anteil an Erfolgen auch bei Placebo-Therapien so gross ist wie hier.

Denn ein kurzfristiger „Erfolg“ mit einem messbarem Gewichtsverlust bedeutet noch nicht, dass das neue Gewicht auch auf Dauer gehalten werden kann. Die Kontrolle des Erfolgs erfolgt erst Jahre später, wenn die Erinnerung an den Placebo-Effekt längst verblasst ist.

Am Abend lese ich im Blättchen dann die Nachricht, dass es zu viele Studien gibt darüber, was gegen Übergewicht hilft und was nicht. Es sei – hätten Forscher herausgefunden – eine verzweifelte Situation, da heute viel zu viel geforscht werde und jede Erkenntnis, kaum publiziert, wieder von neuen Gegen-Erkenntnissen konterkariert werde, so dass selbst die Forscher den Überblick verloren hätten, ganz zu schweigen vom einfachen Volk, das doch von der Forschung eigentlich eine solide Orientierungshilfe erwarten würde.

Dies sei, so wird gesagt, eine Folge des digitalen Zeitalters, in dem sich Informationen immer rascher verbreiten und durch Gegenmeinungen widerlegt werden können, bevor sie erst richtig publiziert sind. – Da ist es mit Woodoo und Esoterik doch viel bequemer: Glaubenssätze sind dauerhafter. Haben sie sich einmal in der Seele verankert, wirken sie fort, ohne sich von Studien und wissenschaftlichen „Erkenntnissen“ beirren zu lassen. – Wenn’s hilft…