8/7  Zuckerlos

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:12

Geschmack lässt sich trainieren. Dass der Konsum von Zucker in unserer Zeit wohl zu einem der belastendsten Gesundheitsprobleme geworden ist, auf das wird in der Öffentlichkeit immer eindringlicher hingewiesen. Vor kurzem habe ich beschlossen, wieder mal bewusst und gezielt den Anteil von Kohlenhydraten – zu denen der Zucker in all seinen Variationen gehört – in meiner Ernährung zu reduzieren. Im Visier stehen dabei neben Brot und Teigwaren vor allem jene Produkte aus der industriellen Fertigung, die „versteckten“ Zucker enthalten, sei es zwecks Geschmacks-Intensivierung, zwecks Farberhaltung oder zur besseren Konservierung.

Wenn du konsequent sein willst – und diesen Luxus gönne ich mir nun -, darf es keine Ausnahme geben. Was Zucker – unter welcher fantasievollen Namens-Maskierung immer – enthält, fliegt raus. Da steht man dann ewig vor dem Regal, liest mit zusammengekniffenen Augen und abgenommener Brille das Kleinstgedruckte auf dem Etikett, schüttelt den Kopf, stellt die Dose weider zurück und greift sich eine andere: ES HAT ÜBERALL ZUCKER DRIN!

Es ist, als würde unsere Nahrungswelt von einem unsichtbaren Zucker-Gerüst zusammengehalten, das sich filigran um alle Lebensmittel spinnt: in den Fleischprodukten hat es welchen, in jedem Gebäck, in praktisch allen Gemüsekonserven, ob in der Büchse oder im Gefrierbeutel, in Tuben und Saucen und Flaschen, sogar im Essig und im Zitronen-Kondensat hat es Zucker! Und gleichzeitig prahlen immer mehr Verpackungen damit, dass immer mehr Produkte mit „weniger Zucker“ oder „ohne Zuckerzusatz“ oder „ohne Kristallzucker“ zubereitet seien – was immer diese nichtssagenden Formulierungen bedeuten mögen: sie dienen einzig der Verarschung des Konsumenten.

Wenn man sich bewusst ernährt, wird die Palette der „geeigneten“ Nahrungsmittel plötzlich überschaubar. Ganze Katgegorien fallen ausser Betracht, die wohlschmeckenden Zuckerschleudern sind nicht mehr gefragt. Ersichtlich wird das, wenn ich die Reklameseiten z.B. im Migros- oder im Coop-Heftli überblättere: der Grossteil der abgebildeten Lebensmittel ist für mich nicht mehr relevant.

Die permanente Überzuckerung führt natürlich auch dazu, dass die Geschmackserwartung der Konsumenten entsprechend ausgerichtet wird: in einem Vergleichs-Experiment des ZDF wurden verschiedene Salami-Typen „getestet“: eine hochwertig „natürliche“, aus den besten Fleischstücken und ohne jegliche Geschmacksverstärker gefertigt, und ein billiges Industrieprodukt aus Fleischabfällen, dafür mit einem Gewürzemix aus chemischen Zusatzstoffen und Aromen… mit dem Erfolg, dass die Industriesalami neun von zehn Stimmen  bekam, weil sie „besser schmeckte“!

Allerdings, das habe ich festgestellt, lässt sich der Geschmack auch in die andere Richtung trainieren: eiskaltes Wasser mit ein paar Tropfen Zitronensaft direkt aus der Frucht – herrlich bei dieser Hitze! Schwarzer Kaffee ohne ein Körnchen Zucker – reine Gewöhnungssache! Selbstgemixte Salatsauce aus Olivenöl und natürlichem Essig – ein Genuss!

Ich bin gespannt, wie weit sich das jetzt noch ansgtrengende – weil jedes Mal neu zu reflektierende – Verhalten zur alltäglichen Selbstverständlichkeit perfektionieren lässt.