6/9 Big Sister CSS
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 18:25 |
Einst fand das Volkswohl noch in Aphorismen statt. Einer davon betraf das richtige Verhalten nach der Nahrungsaufnahme: Nach dem Essen sollst du ruhn, oder tausend Schritte tun, oder eine Pfeife rauchen, oder... – Bei der vierten Option wussten wir als Kinder lange nicht, wie genau das gemeint war.
Nun ist aber alles anders: wie wir heute im SonntagsBlick lesen können, plant die Krankenkasse CSS einen Pilotversuch zur Live-Erfassung des gesundheitsrelevanten Verkaltens ihrer Kunden mittels kleiner digitaler Meldegeräte, die regelmässig oder periodisch alle Körper-Daten, die sie erfassen, online und bigbrothermässig an einen Grossrechner melden.
Der ermittelt dann, ob die Werte noch dem „richtigen“ Verhalten entsprechen, oder ob da jemand auf der faulen Haut liegt und sich dadurch in ein Gesundheitsrisiko bringt – und die Kasse damit in ein unangenehmes Zahlungsrisiko im Krankheitsfall. Damit hätten wir den totalen Überwachungsstaat am Handgelenk. (Die Volkskontrolleure träumen bereits davon, man könnte dem Kunden schon früh einen Chip einpflanzen, der das Melden der Daten automatisch übernehmen würde.)
Und wenn du dich dann zu wenig bewegst und dich nicht gesund genug ernährst, bezahlst du mehr Prämie, weil du ja ein höheres Kostenrisiko darstellst. Aber das sei keine selektive Diskriminierung bestimmter Krankheitsbilder, bewahre! Nein, es ist eine Belohnung derer, die sich vorbildlich und „richtig“ verhalten, die nach dem Essen pflichtbewusst die 1’000 Schritte machen und nicht daran denken, der Ruhe zu pflegen oder des Tabakkonsums.
Und wenn sie körperlich gar nicht mehr in der Lage sind, eine längere Wegstrecke zurück zu legen? Dann sollen sie erst recht bezahlen, die Versager, wo kämen wir sonst hin, wenn die „Versicherung“ zu ihren eigenen Lasten das Risiko eines Dritten abdecken müsste?
Den gewieften Managern ist es sogar gelungen, diese Neuerung als einen bahnbrechenden Akt der Solidarität zu begründen: mit einer solchermassen abgestuften Prämien-Lösung würden sich die Verursacher von nachweislich erhöhten Kosten „solidarisch“ zeigen mit ihren „gesunden“ Mit- , ja, was sind es denn nun eigentlich? Mit-Konkurrenten? Mit-Kassenzahlern?
Mit-Patienten sind es ja nicht, denn die andern müssen gesund leben und sein, sonst zahlen sie auch mehr!
Ich bin froh, gehöre ich einer anderen, bisher noch echt solidarischen Kasse an. Glaubweürdig wäre die CSS bloss, wenn sie massiv in die Verhältnisprävention investieren würde. Wenn sie sich dafür einsetzen würde, dass eine „gesunde“ Lebensweise erleichtert wird, in allen Bereichen des Alltags. Aber davon sind wir weit entfernt. Big $ister denkt nur an ihren Profit.