13/10 Vom Balkon ins All
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:25 |
Das sind ja absurde, gegenläufige Trends. In vielen Medien boomt gegenwärtig das Lob des Urban Gardening: jeder kleine Fleck in der Stadt kann und soll ausgenutzt werden, um Grünzeug anzupflanzen, Blumen, Früchte, Gemüse, so dass Familie Normalverbraucher plötzlich zum gesunden Selbstversorger wird, der seine eigenen Tomaten und Kartoffeln, Salate und Radieschen zieht, auf dem Balkon, dem Flachdach oder in Hinterhof… nur die Hanfplantage muss vorläufig noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehegt und gepflegt werden.
Damit könnte, meint man, dem Treiben von Saatgut- und Agrochemie-Giganten wie Monsanto & Co. ein Schnippchen geschlagen werden: gesunde Naturalprodukte kommen in den Kochtopf und auf den Tisch und wir können mit gutem Biogewissen ruhig schlafen.
Falls es der Balkon nicht hergibt oder der Daumen partout nicht grün sein will, haben wir wenigstens die PR-Aktionen unserer Grossverteiler, die sich nicht laut genug ihrer Regionalität (Motto: Von hier für hier!) rühmen können, wobei niemand wirklich weiss, wie ernst es ihnen damit ist, wenn man sieht, wo überall her zum Beispiel die „Bergmilch“ kommt, die vermarktet wird, als hätten Heidi und der Geissenpeter persönlich die Kühe gemolken.
In der Praxis schreitet die Globalisierung voran. Auf verarbeiteten Lebensmitteln steht als Herkunftsbezeichnung schlicht „EU“, und das kann dann alles und nichts bedeuten, vor allem aber nicht ausschliessen, dass ein bestimmtes Erzeugnis mehrmals quer durch ganz Europa gekarrt wurde, um im jeweils billigsten Produktionsland weiter bearbeitet zu werden.
Damit aber nicht genug: nun startet die Landwirtschaft ins Weltall, zumindest in den erdnahen Teil davon. In England wurde ein Projekt-Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem es darum geht, innovative Konzepte und Ideen zu entwickeln, mit denen die Weltraum-Technologie der Satelliten benutzt werden könnte, um die Leistungsfähigkeit der Agrarwirtschaft zu steigern und die Food-Produktion zu höherer Rentabilität anzukurbeln.
Gegen vier Millionen englische Pfund wurden bereitgestellt als Preissumme, um zukunftsträchtige Vorschläge zu prämiieren. Und wenn der Landwirt von übermorgen dann vom Satelliten aus auf sein Feld hinunter blickt, denkt er ganz von selber in grösseren Kategorien. Da spielt es keine Rolle mehr, ob ein Baum mehr oder weniger im Regenwald abgeholzt wird, da werden dann ganze Kontinente mit Insektizid-Nebel eingesprüht und sowohl der Engerling wie der Borkenkäfer und auch der Feuerbrand haben keine Chance mehr. Der Mensch vielleicht auch nicht.