9/5  Abschreckend?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:04

Er wollte wachrütteln, ein Zeichen setzen, damit andere nicht das erleiden müssen, was er erlitten hatte. Die Rede ist von Hector Garcia jr., einem 49 Jahre alten Amerikaner, der in einem bewegenden, berührenden Bild-, Video- und Tondokument sein Leben als schwerst übergewichtiger Mann beschreibt. Wir haben das Video heute auf der SAPS-Facebook-Seite aufgeschaltet.

Hectors Schicksal ist nicht singulär, viele vegetieren wie er in einer Gewichtsklasse, die es ihnen verbietet, aktiv am Leben teilzunehmen. 272 Kilo war er schwer, hatte seine ganze Kindheit durch unter dem Stigma der Fettleibigkeit gelitten, war in der Schule verspottet und gemobbt worden und hatte sich immer nur über seinen Ausnahmezustand definieren können. Als sein Gewicht schliesslich seine Gelenke zu ruinieren drohte und er eine Knie-Operation ins Auge fasste, eröffnete ihm der Chirurg, dass er zuerst abnehmen müsse, ehe der Eingriff gewagt werden könne.

Hector nahm erfolgreich 155 Kilo ab und wog noch 117, konnte sich wieder bewegen, schwimmen, dabei sein… aber mit der Knie-OP lief etwas schief, es gab Komplikationen, welche Nach-Operationen nötig machten, so dass er lange Zeit im Spital und in der Reha verbrachte, ohne sich bewegen zu können… und langsam kamen die verlorenen Pfunde zurück: sein Gewicht stieg wieder an, bis auf 288 Kilogramm.

Er wollte sein Leben in Bildern und per Video dokumentieren, um für andere „ein abschreckendes Beispiel“ zu sein, um sie zu veranlassen, frühzeitig gegen das zuviele Gewicht anzugehen, denn er selber sei, sagte er, das „Worst-Case-Szenario“. Und er hatte sich mit 48 Jahren damit abgefunden, seine Zeit immobilisiert in einem Sessel zu verbringen, „wie ein Kind, das hinter einem Schaufenster gefangen ist und draussen das Leben vorbeiziehen sieht, ohne daran teilnehmen zu können“.

Da bekam er Probleme mit der Lunge: die Krankheit COPD nahm ihm zunehmend die Atemluft, er drohte zu ersticken, bekam nicht mehr genug Sauerstoff und brach schliesslich nach einem Gang von wenigen Schritten vom Stuhl zur Türe zusammen – und verstarb. – Seine Familie erfüllte ihm den Wunsch mit der Bild- und Text-Dokumentation, die nun über die sozialen Medien um die Welt geht.

Aber: was bewirken solche aufwühlenden, bewegenden und berührenden Dokumente wirklich? Ich stelle in der nächsten Ausgabe des SAPS-Magazins „saps.ch“ zwei Bücher ausführlicher vor, die in vergleichbarer Weise, wenn auch in unterschiedlichem Stil und Tonfall die identische Thematik berühren: „Die Fettlöserin“ von Nicole Jäger und „Weil ich ein Dicker bin“ von Bertram Eisenhauer. Die Protagonisten beider Bücher spielen in einer vergleichbaren Gewichts-Liga und haben heftige,  z.T. kontroverse Reaktionen ausgelöst, von begeisterter Zustimmung bis hin zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit ihrer Ausführungen.

Unsere Aufklärungsarbeit wäre eigentlich unverzichtbar… wenn wir sie uns auf Dauer leisten könnten.