8/6  Blick nach USA

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:50

Ein Anruf vom Radio. Ob ich Zeit hätte für ein kurzes Interview? Sicher, um was geht es denn? Eine aktuelle Statistik aus den USA besage, dass dort jede zweite Frau „fettleibig“ sei und jeder dritte Mann. So viele wie noch nie. Was ich dazu sagen könne.

Diese Zahlen überraschen mich. Die letzten Daten, die ich kenne, sind ein Jahr alt. Damals waren rund 28% der Erwachsenen adipös, hatten also einen BMI grösser als 30. Dass diese Zahl weiter ansteigen würde war zu erwarten. Aber gerade so massiv?

Ich musste also meine Aussagen unter einen gewissen Vorbehalt stellen, denn die genannte Untersuchung war mir nicht im Wortlaut bekannt, auch nicht die Kriterien, nach denen hier „Fettleibigkeit“ definiert wurde. Eindeutig ist allerdings, dass Amerika noch immer weltweiter Spitzenreiter ist, was den Anteil übergewichtiger und adipöser Personen an der Gesamtbevölkerung betrifft. Im Strassenbild fallen die „Dicken“ bald nicht mehr auf, so omnipräsent sind sie… Aber wenn man meinen möchte, diese Allgegenwart würde dazu führen, dass Adipositas-Betroffene als gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wahrgenommen würden und daher Akzeptanz fänden, so täuscht man sich. Noch immer treffen schwer Übergewichtige auf Vorurteile und Ablehnung, ihr „Anderssein“ ist allzu sichtbar und auffällig.

Wie geht es weiter? Was bringt die Zukunft? – Die RadioEnergy-Journalistin will es wissen… aber ich kann ihr keine Antwort geben. Der menschlioche Organismus ist von der Natur nicht darauf programmiert, nicht zuzunehmen, wenn er mehr Energie konsumieren kann, als er verbraucht. Darauf ist sein ganzes Selbsterhaltungs-System ausgerichtet, das sich während den Jahrmillionen der Evolution bestens bewährt hat – sonst gäbe es uns gar nicht mehr. Einzig eine rigorose Reglementierung der „gefährlichen“ Nahrungsmittel könnte etwas Abhilfe schaffen, aber keine grundsätzliche Veränderung der Ausgangslage herbei führen, denn die „Natur“ mit ihrem Überlebensinstinkt ist stärker als jeder Willensakt.

Zu diesem Schluss kommt auch die amerikanische Adipositas-Expertin Prof. Donna H. Ryan in einer lesenswerten Analyse zur Situation, die letztes Jahr von der amerikanischen Herz-Vereinigung publiziert wurde: Gewichtskontrolle ist nicht einfach eine Frage des fehlenden Willens. Die Medizin muss sich des Problems mit einem umfassenden Therapie-Angebot annehmen und der Staat muss die nötigen Grundlagen dafür schaffen.