26/7  PokeMongo

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:17

Der Ausdruck ist ja politisch nicht mehr korrekt. Man sollte ihn nicht verwenden. Aber zuerst habe ich wirklich gedacht, es heisse so. Und das hätte auch Sinn gemacht: Leute, die wie bescheuert mit ihren Handys durch die Gegend latschen, um sich spähend, als würden sie von einer unsichtbaren Geisterhorde verfolgt. Und auch ansteckend muss es sein, da das Phänomen hierzulande epidemisch auftritt.

Dann hörte ich all die Warnungen, deren Sinn mir klar wurde, als ich mit dem Velo beinahe so eine Handy-Woman über den Haufen gefahren hätte, die unmittelbar auf der Strassenmitte stehen blieb und verzweifelt auf das kleine Display stierte…

Später las ich von den Segnungen der Bewegung: dass die Pokemongisten pro Tag bis zu 20 Kilometer zurücklegen würden, jedenfalls die angefressenen. Fast so viel wie unsere Vorvorvorfahren, die von früh bis spät irgendwelchen essbaren Lebewesen hinterher gehechelt sind, auch in der Hoffnung, sie zu erwischen. Damals war keiner übergewichtig.

Das aktuelle Jagdfieber könne dazu beitragen, las ich, dass die Jungen aus ihren Stuben herausgehen, sich im Freien aufhalten, zu Fuss unterwegs sind, sich endlich die Bewegung verschaffen, die ihnen so lange abgegangen ist. Das wäre denn der ultimative Counterstrike gegen die erwiesene Gleichung, dass ein grosser BMI bei Jugendlichen in einem direkten Verhältnis steht zu der Zeit, die diese sitzend vor den Bildschirmen verbringen.

All die gut gemeinten Informationskampagnen, man solle doch die Treppen zu Fuss laufen und beim Tram eine Station früher aussteigen, im Einkaufszentrum möglichst weit weg vom Eingang parken und überhaupt auf das Auto verzichten, waren ja nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Der innere Schweinehund drehte ihnen eine lange Nase.

Aber die virtuellen Gespensterchen haben es geschafft. Sie mobilisieren auf fast magische Weise zumindest einen Teil der Bevölkerung, und zwar offenbar jenen, der es am nötigsten hat, weil er bereits dem Bildschirm verfallen ist. Also will ich hier nicht in den pessimistischen Chor derer einstimmen, die über Volksverblödung jammern, sondern mich darüber freuen, dass dem Faktor „Alltagsbewegung für das Volk“ eine unerwartete Unterstützung zuteil wird. Warten wir ab, was es bringt.

Was mich betrifft, habe ich heute – ganz ohne Handy und ohne App – eine mikro-alpinistische Leistung vollbracht, indem ich freiwillig und ohne dabei ausser Atem zu geraten, auf den „Oerlikonerturm“ gestiegen bin: eine 33 Meter hohe Beton-Stahl-Konstruktion mit 230 Wendeltreppen-Tritten, entsprechend rund acht Stockwerken. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zurück ins normale Leben.


3 Kommentare zu “PokeMongo”

  1. Heini Hertach sagt:

    Ich hatte schon früher hohe Achtung für alles was Du getan hast. Nun aber bewundere ich Deine Ausdauer und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg. Was hätte der Oerlikonerturm noch vor ein paar Monaten für Dich bedeutet…!? Gruss aus dem Glarner Kleintal HEINI

  2. Einen herzlichen Gruss zurück! Ich hätte nie im Traum daran gedacht, überhaupt in die Nöhe dieses Turmes zu gehen…

  3. Bea sagt:

    Ich bin sprachlos ! Der Oerlikerturm ist fast um die Ecke bei mir. So, das ist jetzt der Motivationsschub den ich benötigt habe. Ich will auch !
    Herzlichen Glückwunsch und grössten Respekt
    Bea

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