5/7  Umwelteinflüsse

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:49

Es ist paradox. Die Notwendigkeit, die KonsumentInnen zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten zu ermuntern und aufzuklären, ist ziemlich unbestritten, mal von den unverbesserlichen und verantwortungslosen Aposteln des freien Marktes abgesehen. Und trotzdem nimmt die Menschheit immer noch zu.

Es sei, wird immer wieder von allen Experten gesagt, allein eine Frage der Kalorien-Bilanz: wer mehr davon zu sich nimmt, als er verbraucht, wird dick. Aber weshalb fällt es denn vielen Leuten so schwer, die Nahrungsmenge in einem vernünftigen Mass zu halten? Ist es doch Willensschwäche, wie die einfachen Gemüter gerne sagen? Ist es mangelnde Selbstsicherheit vis-à-vis einer übermächtigen Propagandawalze, die uns von früh bis spät die Notwendigkeit des Verzehrs von hochkalorigen Genussmitteln einhämmert? Handeln wir so, weil wir – oder viele von uns – gar nicht (mehr) anders können?

Als die Adipositas-Forschung vor einigen Jahren auf das Problem der endokrinen Disruptoren aufmerksam gemacht hat, wurde dieses zunächst von der Industrie heruntergespielt. Minimaler Einfluss, hiess es, praktisch nicht nachweisbar, alles im Rahmen der gesetzlichen Toleranzgrenzen…

Nun verdichten sich aber doch die Erkenntnisse und damit die Einsicht, dass es eine Fülle von Einflüssen aus der Umwelt gibt, die wir über unsere Nahrung aufnehmen, die klammheimlich auf unser Gehirn einwirken und es gleichsam dazu zwingen, den Körper zu veranlassen, immer mehr zu essen, neue Nahrung aufzunehmen, sich ein Maximum an Kalorien einzuverleiben.

Ein lesenswerter Bericht über aktuelle Erkenntnisse der Forschung listet zehn Stoffe und Nahrungsmittel auf, die einen solchen Effekt auslösen und unser Gehirn quasi „auf Fettsucht programmieren“. Genannt werden: Tributylzinn, Phtalate, Teflon, Bisphenole… enthalten in der Verpackung vieler Produkte, in Plastic-Weichmachern, Desinfektionsmitteln, Geschmacksverstärkern, die wir verzehren in Form von Konfitüren, Diätjoghurts, Kartoffelchips und Pommes, Cola und auch über verschiedene Antibiotika.

Kann es etwas bringen, solche Nahrungsmittel konsequent zu meiden? Sich nur noch von „naturbelassenen“ Erzeugnissen zu ernähren? Fertigmahlzeiten aus Plastic-Verpackungen zu verschmähen? – Schaden würde es auf jeden Fall nicht. Meine eigenen Erfahrungen mit dem Gewichtsverlust des letzten Jahres hat dies bestätigt. Ich habe konsequent auf Fertigprodukte verzichtet und dabei nicht nur abgenommen, sonden auch ein völlig neues Lebensgefühl zurück gewonnen. – Mal schauen, was passiert, wenn ich dereinst nach Erreichen meines Zielgewichts zum – leider – „normalen“ Lebensstil zurückkehren werde.




4/7  Hallo, Darm!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:38

So betrachtet hatte ich mich noch nie. Aber das kam erst zuletzt. Angefangen hatte es mit dem Aufgebot zu einer Magen- und Darmspiegelung, um abzuklären, ob bei meinem Gewichtsverlust alles mit rechten Dingen zugehe oder ob es da eventuell noch andere, verborgene Ursachen gebe. Vorangegangene Tests waren offenbar noch nicht ausagekräftig genug bzw. liessen keine definitiven Schlüsse zu, deshalb galt es nun, einen direkten Augenschein zu nehmen, am Ort des Geschehens.

Am Vortag die Sache mit dem Reinigungstrank: Ich hatte es mir aufgrund von Schilderungen Dritter schlimmer vorgestellt. Nachdem ich das weisse Pulver in einer Petflasche mit Wasser aufgelöst und in den Kühlschrank gestellt hatte, vollzog ich das Trinkritual buchstabengetreu gemäss der schriftlichen Anleitung und nahm das eiskalte Gebräu in grossen Schlucken direkt aus der Flasche zu mir, als wäre es ein Bier in der Sommerhitze…

Drei Stunden später gab der Darm her, was er zu bieten hatte, mit der Konsequenz, dass ich es abends nicht mehr wagte, richtig einzuschlafen, aus Angst vor einer unkontrollierten Entleerung. Und als ich dann doch nach Mitternacht kurz vor dem Bildschirm entschlummerte, war es eindeutig zu spät, als ich wieder erwachte.

Noch vor dem Morgengrauen der zweite Liter, jetzt sprudelte das Wasser fast klar aus dem rückwärtigen Quell und ich hatte die Gewissheit, mit absolut gesäubertem Innenleben vor den Herrn Doktor treten zu können. Schliesslich war ich ja auch schon seit über zwanzig Stunden nüchtern.

Der Empfang in der Praxis war freundlich. Nachdem ich zum gefühlten x-ten Mal den etwa gleichlautenden Fragebogen über gehabte und geheilte und vererbte Krankheiten ausgefüllt hatte und beim Arzt noch einmal Gelegenheit bekam, die gleichen Fragen auch noch mündlich zu beantworten, ging es zur Behandlung. Eine überaus freundliche Praxishilfe leitete mich an, ich zog mich aus und schlüpfte in eine federleichte Unterhose aus Papier, sie setzte eine Infusion, betäubte mit Spray mein Halszäpfchen und bettete mich sorgfältig auf einen schmalen Schragen, sicherte mich mit einem Gitter und schob mir einen Plastik-Schoner zwischen die Zähne, so dass ich mir vorkam wie Muhammad Ali selig…

Ich sah noch, wie der Doktor in seinem grünen Gewand ins Zimmer kam. Kurz darauf wurde mir das Mundstück wieder weggenommen und ich fragte mich, weshalb… Dann hörte ich eine Stimme: „Sagen Sie Grüezi!“ Ich sagte: „Grüezi“. Die Praxishilfe unterstützte mich beim Aufsitzen auf dem Rand der Liege und bat mich, aufzustehen. Das ging überraschend gut. Nachdem ich mich angezogen hatte, suchte ich weisungsgemäss den Arzt in seinem Büro auf. Der zeigte mir auf dem Bildschirm die Innenansicht meiner Speiseröhre, meines Magens und meines kompletten Dickdarms, immer schön abschnittsweise, Bild für Bild, mit fachlicher Erläuterung und dem Fazit, dass sämtliche Teile meiner inspizierten Innereien kerngesund und in bester Verfassung seien.

Für Sekunden durchfuhr mich ein unbotmässiger Gedanke: was, wenn das gar nicht die Bilder aus meinem Inneren wären, sondern beliebige Aufnahmen eines topfitten Menschen, mit denen man mich nur in Sicherheit wiegen wollte….. aber dann sah ich am Bildrand eingeblendet meinen Namen, sogar korrekt geschrieben, mit dem aktuellen Datum und der Krankenkassen-Nummer… und der hinterlistige Gedanke war gelöscht.

Es sei alles in bester Ordnnung, sagte der Arzt, er werde seinen schriftlichen Bericht umgehend verfassen, eine irgendwie geartete Ursache für einen unkontrollierten Gewichtsverlust sei nicht ersichtlich, darauf könne er mir eine Garantie von zehn Jahren geben! – Ich hoffe, sagte ich, dass der Rest meines Ichs sich verpflichtet fühle, diese Garantiefrist einzuhalten. Und ging frohgemut von dannen, mit dem Vorsatz, den lieben guten Magen und seinen Darm bei nächster Gelegenheit dankbar wieder zu füllen…