23/8  Mach – mich – voll

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:00

Light Lebensmittel seien out. Sagen die Beobachter des Food-Marktes. Der Umsatz sei rückläufig. Coop hat die WeightWatchers-Produkte aus den Läden genommen. „Regional“, „von hier“, „urchig“ und „chüschtig“ sind gefragt. Das „Light“-Label hat sich als Trugschluss erwiesen. Was Fachleute schon immer moniert haben, wurde durch die Realität bestätigt. Die Psyche spielt unserem Unterbewusstsein einen Streich: weil wir zu wissen meinen, dass das Zeug weniger dick mache, gönnen wir uns einen grösseren Happen davon… Und überdies: „Light“ definierte sich im klassischen Verständnis dadurch, dass etwas (relativ) „weniger“ Fett enthält. Um den Geschmack zu kompensieren, wird dafür oft Zucker zugeschüttet, der inzwischen selber auf der Anklagebank der Verfettungs-Gangster gelandet ist.

Aber schon kündigt sich ein neuer Trend an: „Wasserbindende“ Substanzen werden nicht mehr als Pillen und Pülverchen angepriesen, sondern schon in die Lebensmittel eingearbeitet. Stoffe wie Glucomannan und Chitosan, die beide bereits als Nahrungsergänzung und in zahlreichen „Abnehm“-Produkten zugelassen sind, haben die Fähigkeit, im Magen unter dem Einfluss der Magensäure aufzuquellen und so ein rascheres Sättigungsgefühl auszulösen. Dadurch verringert sich die Essensmenge insgesamt, was dazu führt, dass weniger Kalorien aufgenommen werden, woraus letztlich dann ein Gewichtsverlust resultieren kann.

Klingt logisch. In Studienreihen wird an neuen Produkten getüftelt, welche diese Materialien enthalten und erst noch schmecken sollen. So wird uns auf „natürliche“ Weise ein Völlegefühl untergejubelt, ohne das wir weiterhin über unsere Energieverhältnisse leben würden.

Diesmal dürfte der Psycho-Trick keine Chance haben: je mehr du von dem Zeug zu dir nimmst, umso völler wird dir zumute sein und umso weniger bringst du noch hinein… Ist das der goldene Schlüssel zur ewigen Schlankheit?

Vorsichtige Skepsis ist immer noch angesagt. Expertisen zu bisherigen Produkten auf Konjak- und Chitin-Basis haben gezeigt, dass die verwendeten Mengen zu gering waren, um einen messbaren Effekt zu bewirken. Placebo musste höher gewichtet werden als die Evidenz. So gab es trotzdem positive Resultate, wenn auch nicht gerade berauschende.

Ob bei den in Speisen eingearbeiteten Stoffen die Menge so markant erhöht werden kann, dass sie von Magen-Volumen her relevant wird, ist eine offene Frage. Wir sind gespannt, welche Resultate und Erkenntnisse und vor allem welche „Völle-Speisen“ uns die Forschung bringen wird.

Früher, wenn Hungesnöte ganze Kontinente mit dem Aussterben der Bevölkerung bedrohten, assen die Menschen Gras, wie wir schaudernd in den Chroniken lesen. Heute bedroht uns der Überfluss, und wir futtern leere Füllsel-Stoffe… während anderswo immer noch gehungert wird. Welch perverse Welt!