14/9  Das Volk befragen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:41

Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. Ein geläufiges Bonmot, um sich vor unbequemen Resultaten zu schützen, wenn es darum geht, Fakten durch Befragung und Analyse zu erheben. Aber natürlich ein Schlag in die Magengrube der professionellen Demoskopen, die ihr Geschäft seriös, nach bestem Wissen und Gewissen und mit fachlich gestützten Methoden betreiben.

Und doch kann man dann das Resultat, wenn es vorliegt, durchaus nach seiner eigenen Optik interpretieren und darstellen. Aber was unter dem Strich zählt, das sind die Fakten.

Gestern wurden die Resultate einer gfs-Studie zur Einstellung der Schweizer Bevölkerung gegenüber „Ernährung und Bewegung“ im Kontext des gesundheitlichen Wohlbefindens (sprich: Übergewicht und Folgekrankheiten) präsentiert. Auftraggeber der Analyse ist die Interessengemeinschaft Erfrischungsgetränke, ein Zusammenschluss der Mineralwasser- und Süssgetränke-Hersteller in der Schweiz.

Die Kernbotschaften, die aus den ermittelten Werten abgeleitet werden, sind plakativ:

  • „80% der Schweizerinnen und Schweizer sagen, dass das Ernährungsverhalten mit Information und Aufklärung statt über Steuern und Gesetze beeinflusst werden soll.“
  • 76% der Schweizerinnen und Schweizer sagen, dass Eigenverantwortung bei der Bekämpfung von Übergewicht wichtiger ist als staatliche Massnahmen.“

Das sind doch mal eindeutige Aussagen einer qualifizierten Volksmehrheit! Also hört endlich auf mit den nervenden Forderungen nach Fett- oder Zuckersteuern (in diesem Fall geht es nur um den Zucker) und mit dem ständigen Wunsch nach Gängelung und Bevormundung des Bürgers! Überlasst ihm doch den Entscheid für sein „richtiges“ Verhalten und verzichtet auf den besserwisserischen Ruf nach Regulierung der Prävention!

Aber das wird so explizit natürlich nicht gesagt. Die Präsentation vor den IG-Mitgliedern, geladenen ParlamentarierInnen und den Vertretern der „anderen Seite“ (SAPS und Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE) war sehr angenehm, freundschaftlich und offen für den Dialog, denn wir wollen ja alle das Gleiche: eine möglichst gesunde „Kundschaft“.

Wenn ich aber die Resultate der Befragung durch „unsere“ Brille betrachte, kommen mir einige Vorbehalte. Das beginnt schon bei der Fragestellung, mit der die Probanden konfrontiert wurden: zuerst mussten sie sich zwischen zwei Alternativen entscheiden und angeben, was ihnen „lieber“ ist: „staatliche Massnahmen“ oder „Eigenverantwortung der Konsumenten“; „Information und Aufklärung“ oder „Steuern und Gesetze“; „preiswerte Lebensmittel“ oder „qualitativ hochwertige Lebensmittel“; „lust- und genussvoll“ oder „bewusst und gesundheitsorientiert“?

Bei näherem Bedenken komme ich zum Schluss, dass es sich im Grunde gar nicht um „Gegensätze“ handelt, nicht um ein klares „Entweder-Oder“, sondern in allen Punkten gibt es eher ein „Sowohl-als-auch“! Es liegt auf der Hand, dass auch bei einer staatlichen Regulierung den KonsumentInnen ein breiter Spielraum für eigenverantwortliches Verhalten bleibt, dass die Erhebung von zweckgebundenen Steuern durchaus der Finanzierung von Information und Aufklärung zugute kommen kann, dass auch preiswerte Lebensmittel qualitativ hochwertig sein sollten und dass eine bewusste und gesundheitsorientierte Ernährung weder Genuss noch Lust ausschliessen muss…

Es lohnt sich, auch die übrigen Ergebnisse der Studie auch unter diesem Blickwinkel zu würdigen. Dann steht einer gemeinsamen Suche nach der optimalen Strategie, welche sich nicht mit aktuellen Tagesresultaten zufrieden gibt, sondern im Interesse des Gemeinwohls in die Zukunft blickt, nichts im Weg. Wir vertrauen auf den Commonsense der ParlamentarierInnen und auf die Verantwortung der Produzenten. Gemeinsam können wir einen Beitrag leisten zur Linderung eines drückenden Gesundheitsproblems.