10/10  Vertrackte Tracker

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:08

Sie heissen Fitness-Tracker. Es sind raffinierte Armbänder, die unsere Bewegungen und den Kalorienverbrauch messen und mit dem Handy kommuinizieren können. Gesundheits-Spione am Handgelenk, die unser Verhalten registrieren und unserem inneren Schweinehund einen ehrlichen Spiegel vorhalten, egal ob wir nun viel oder wenig unterwegs sind. Unbestechlich.

Es ist die digitale Erweiterung des guten alten Schrittzählers, angereichert um manche Funktion, clever und berechnend, da gibt es kein Entrinnen mehr und bald – so spekuliert die Industrie – werden die Dinger obligatorisch, verpetzen dich, wenn du auf der faulen Haut liegst, verschaffen dir einen Prämienvorteil bei der Krankenkasse, wenn du brav dein Plansoll erfüllst und die verlangte Anzahl Schritte absolvierst. Man erhofft sich viel von diesem technologischen Coaching auf dem Weg zu gesundem Sein.

Und nun kommt die SonntagsZeitung und publiziert einen Beitrag aus der New York Times, in dem es darum geht, den Nimbus der smarten Tracker zu demontieren: ein internationales Wissenschafter-Team in Singapur hat durch vergleichende Langzeit-Versuche herausgefunden, dass diese Fitness-Tracker bei manchen Patienten, die abnehmen wollen, eher das Gegenteil bewirken. Probanden ohne Armband nahmen – unter identischen Bedingungen, was Ernährung und Lebensstil betrifft – auf Dauer mehr ab als jene, die von einem Armband „unterstützt“ wurden.

Der überraschende Befund verblüffte die Wissenschafter. Er stand im Widerspruch zu der gängigen Auffassung, wonach solche Hilfsmittel generell von Vorteil seien bei einer Gewichtsreduktion. Zwar hatten alle Teilnehmenden in den verschiedenen Versuchs-Gruppen abgenommen, aber die mit den Armbändern hatten nur gut die Hälfte von dem an Gewicht verloren, das die anderen eingebüsst hatten: nur 3,5 statt 6 Kilo auf ein halbes Jahr.

Über die Gründe dieses Phänomens wird noch gerätselt. Und es werden wohl noch weitere Studien nötig sein, psychologisch vertiefend, um die Motivation der Teilnehmenden zu ergründen. Eine Annahme geht dahin, dass Menschen, die anhand der Daten realisierten, dass sie nicht auf die vorgegebene Anzahl Schritte kommen, entmutigt gerade ganz aufgaben…

Wie auch immer: ich nehme in den nächsten Tagen an einer Diskussion über praktische Erfahrungen mit solchen Messgeräten teil. Wenn jemand selber über positive oder auch negative Erlebnisse berichten kann, bin ich ausgesprochen dankbar!