Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 16:50 |
Es ist ein Elend mit den Etiketten. Für die einen steht zuviel drauf, für andere zu wenig. Lebensmitteldeklaration ist ein ständiges Thema, nicht nur wenn es um die ebenso ersehnte wie verpönte „Ampel“ geht. Aber nun kommt ein völlig neuer Vorschlag aufs Tapet: das Exercise Label.
Dies bedeutet, dass anstelle (oder ergänzend dazu) der Nährwert-Angaben für eine bestimmte Menge des Lebensmittels in Kalorien ein neuer Wert eingeführt wird: wie viele Minuten muss jemand gehen, der/die diese Menge gegessen hat.
Wissenschaftliche Versuche in England mit 458 Teilnehmenden haben gezeigt, dass die Kundschaft sehr senisbel reagiert, wenn man sie mit einer Messgrösse konfrontiert, unter der sie sich konkret etwas vorstellen kann. Bei der Studie wurden der Testperson jeweils zwei Produkte der gleichen Marke angeboten, wobei eines der beiden kalorienreduziert war. Auf der Etikette waren entweder nur die Kalorien angegeben, oder zudem noch die Dauer in Minuten, die man marschieren muss, um diese Kalorien wieder zu verbrauchen.
Das Resultat war eindeutig: die Gruppe, die zwischen den mit der Marschier-Dauer ergänzten Produkten auswählen konnte, entschied sich signifikant häufiger für das Produkt mit dem geringeren Kalorien-Gehalt. Der Grund ist wohl – so die Forscher – dass „man“ sich unter einer Zeitangabe wesentlich konkretere Vorstellungen machen kann als unter einer Kalorien-Zahl: diese Gruppe hat in der Versuchs-Periode deutlich weniger Energie konsumiert als die Vergleichsgruppe, die sich „nur“ an den Kalorien orientieren musste.
Wenn es den Anbietern ernst ist mit ihrem Bekenntnis, Transparenz zu schaffen bezüglich des Energiegehaltes ihrer Produkte, dann können sie hier ein Zeichen setzen. Migros und Coop überbieten sich im Moment ja gegenseitig mit Werbe-Offensiven für ihre Koch- und Ernährungsplattformen FOOBY und Migusto. Dort werden selbstverständlich die Interessen der Vegetarier und Veganer angemessen berücksichtigt, von „bewusster“ Ernährung zur Gewichtskontrolle ist aber nirgends die Rede. Mit einem Bruchteil dieses Aufwandes könnten die beiden Marktleader einen Teil ihrer Produkte mit Zusatz-Exercise-Etiketten bekleben und so ein Signal geben. – Oder müssen wir warten, bis die flinkere Konkurrenz von Aldi und Lidl ihnen zuvorkommt?
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Von Heinrich von Grünigen um 15:47 |
Es ist nur eine Randbemerkung. Aber sie zeigt, wie hartnäckig sich gewisse Meinungen im Bewusstsein halten können. Da hat sich im Bereich der Adipositas-Chirurgie in den letzten Jahren ein markanter Wechsel vollzogen. Vor zwei Jahrzehnten war das „verstellbare schwedische Magenband“ quasi der operative Standard für chirurgische Eingriffe zur Gewichtsreduktion. Den Magen-Bypass kannte man zwar schon, aber der war in der Regel den „schwereren Fällen“ vorbehalten oder kam dann zur Anwendung, wenn das Magenband nicht gnügend Wirkung zeigte…
Dann kam es beim Magenband zu häufigeren Komplikationen nach Langzeitgebrauch, es zeigten sich Unverträglichkeiten und mit dem „Schlauchmagen“ kam eine „einfachere“ OP-Variante zum Einsatz. Schon seit längerer Zeit sind in der Schweiz der Bypass und der Schlauch die Standard-Eingriffe, das Magenband wird kaum noch bis nicht mehr eingesetzt, im Gegenteil: „alte“ Bänder müssen in vielen Fällen raus, um längerfristige Schäden zu vermeiden.
Und dennoch hält sich im kollektiven Wissen um medizinische Therapien das gute alte Magenband weiterhin als „das“ Heilmittel für Schwerstgewichte. So gesehen am Sonntagabend in der liebenswürdigen Filmkomödie „Lotto“: dort beklagt sich einer der Protagonisten, der abnehmnen möchte, dass seine Krankenkasse nicht bereit sei, die Kosten für das Magenband zu übernehmen, obwohl er dreissig Jahre lang seine Beiträge immer brav einbezahlt habe…
Als sich die Hoffnung zerschlägt, den ersehnten Eingriff aus einem Lottogewinn finanzieren zu können, läuft der Mann (der mit seinem Ranzen die Kriterien für die Kostenübernahme längst erfüllt hätte) ein paar Mal joggend um die Häuser und siehe da: schon fühlt er sich schlanker… Es ist eine diskrete Kritik am Drehbuch, nachvollziehbar nur bei vorhandener Fachkenntnis, aber der Fall illustriert die Beharrlichkeit, mit welcher sich gewisse Annahmen und Meinungen in unserem Bewusstsein festsetzen.
Aufklärung tut not. Schon werden spezielle OP-Typen entwickelt, um mit der Chirurgie gegen Diabetes Typ 2 vorzugehen und so die teuren Folgekosten einer Langzeitbehandlung abzuwenden: die Technik verbessert sich weiter, der Fortschritt der Medizin ist nicht aufzuhalten.
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Von Heinrich von Grünigen um 14:07 |
Es muss sein. Auch auf das Risiko hin, dass es mit der Zeit zu nerven beginnt: es geht wieder einmal um den Zucker, dieses allgegenwärtige Konsumgift, das wir rund um die Uhr verabreicht bekommen und gegen das sich immer mehr Widerstand formiert, inzwischen erkannt als eigentlicher Suchtstoff, der uns abhängig macht und der unsere Gesundheit – wenn er im Übermass verzehrt wird – nachhaltiger schädigen kann, als uns bisher bewusst war.
Das ZDF hat gestern in der populären Wissenschafts-Rubrik „Leschs Kosmos“ eine halbstündioge Dokumentation ausgestrahlt, die sich gewaschen hat: Vorsicht Zucker: Die verborgene Gefahr. Mit sorgfältiger Akribie und leicht verständlich wird dabei über die Bedeutung des Zuckers für die Lebensmittelindustrie referiert, über die Wirkung der verschiedenen Zuckerarten auf unseren Metabolismus (dass z.B. zu hoher Zucker-Konsum nicht nur zu Fett-Einlagerungen im Köper führt, sondern auch die Haut merklich altern und schrumpeln lässt), und vor allem über den grossen Zucker-Betrug in den USA im letzten Jahrhundert, als mit gefälschten Forschungsresultaten (wie heute zugegeben wird) gezielt ein Zusammenhang zwischen hohem Fettkonsum und Herzinfarkt herbeigeschrieben wurde, um den Zucker – und die, die an ihm verdienen – aus der Schusslinie zu nehmen.
Harald Lesch ist Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjopurnalist, TV-Moderator und Hochschuldozent. Er strahlt nicht nur eine hohe Glaubwürdigkeit aus, er versteht es auch, mit didaktisch einprägsamen, anschaulichen Bildern selbst komplexe Sachverhalte so zu vermitteln, dass sie sich nachhaltig einprägen. Die 30 TV-Minuten sind Pflichtstoff für alle, die sich bewusst ernähren wollen. Und dann sollte man auch danach handeln. Ich bin jedenfalls froh, dass ich seit mehr als anderthalb Jahren fast vollständig auf jeden industriell gefertigten Zucker – in welcher Form immer – verzichten kann. Es geht!
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Von Heinrich von Grünigen um 15:57 |
Alarmsignale aus Kanada. Die kanadische Herz-Kreislauf-Stiftung (Heart&Stroke Foundation) hat einen Report veröffentlicht über die Werbung für Nahrungsmittel und Getränke, die sich an Kinder und Jugendliche richtet. In der Zusammenfassung für die Presse kommt sie zu einem harten Urteil: „Die Nahrungs- und Getränke-Industrie ist dabei, unsere Kinder und Jugendlichen zu Tode zu werben.“
Die Studie hat verstörende Fakten zu Tage gefördert: 90 Prozent aller Werbespots, die sich an Kinder und Jugendliche richten, bewerben „ungesunde“ Produkte mit zu hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt; Kinder zwischen 2 und 11 Jahren sehen pro Jahr auf ihren 10 Lieblings-Webseiten über 25 Millionen Werbespots für Essen und Getränke… und dabei handelt es sich nicht um die klassischen TV-Spots, wie wir sie kennen, sondern um speziell für die Online-Medien aufbereitete Botschaften. Für diese gibt es (noch) keinerlei Beschränkung, während die Anzahl auf den Fernseh-Kanälen immerhin begrenzt ist.
Die Kids werden damit einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen und darauf trainiert, diese beworbenen Speisen und Getränke zu verlangen. Dadurch werden die Bemühungen der Eltern (falls es sie denn gibt) unterlaufen, die Kinder zu „gesundem“ Essen anzuhalten. Im Konfliktfall geben die Eltern nach und kaufen den Junk-Food, weil die Kleinen danach quengeln. Der faktische Einfluss von Werbung und Umwelt ist stärker als das erzieherische Bemühen…
Die Selbstregulierung, zu der sich die Lebensmittelfirmen auch in Kanada verpflichtet haben, habe völlig versagt, resumiert die Studie: die Werbezeiten haben in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen, die abgegebenen Versprechen, sich zu mässigen, wurden nicht eingehalten. Kanadische Jugendliche, die im Schnitt während zwei Stunden täglich TV schauen, sehen pro Stunde vier bis fünf Werbespots für Schleckwaren und Süssgetränke.
Deshalb fordern die Verantwortlichen ein rasches und entschlossenes Handeln des Gesetzhgebers: nur strikte Auflagen und Regulierungen auch in den Online-Medien können die Kinder davor bewahren, die erste Generation zu werden, die weniger alt wird als ihre Eltern.
Die Verhältnisse in der Schweiz dürften nicht grundlegend anders sein. Auch hier sollten wir handeln, bevor die Schäden an der Jugend irreversibel sind.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:47 |
Not macht erfinderisch. So auch im Süsswarenhandel. Wenn der Absatz stagniert (was ja ein gutes Zeichen wäre), muss sich die Industrie nach neuen Märkten umsehen. Und sich dabei Dinge ausdenken, die kein Mensch wirklich braucht – und die vielleicht gerade deshalb auf Interesse stossen.
Das scheint mir der Fall zu sein bei den Zucker-Selfies, die neuerdings unter das Volk gebracht werden sollen.
Die Firma Magic Candy Factory hat einen 3D-Printer entwickeln lassen, der aus Zucker dreidimensionale Proträt-Bilder (vorzugsweise Selfies) herstellt. Auswählen kann man aus 8 verschiedenen Aromen und Farben. Man kann sein Selfie selber schiessen oder es in einer Fotobox vor Ort fertigen lassen. Der Spass dauert 5 Minuten, kostet 10 Dollar und man kann dabei zusehen, wie die Maschine mit flüssigem Zuckersaft das eigene Bildnis auf einen Karton ausdruckt.
Welch eine Sensation! Die Geschichte erinnert mich an die Stanz-Automaten in unserer Jugendzeit, die an exponierten Ausflugszielen aufgestellt waren, wo man gegen Einwurf einer Münze ein kleines metallenes Schild prägen konnte, mit seinem Namen drauf, oder eine Art Gedenkmünze aus Blech, mit Name, Ort und Datum, zur späteren Erinnerung an ein gemeinsames Erlebnis, als man die Welt noch selber am Ort des Geschehens er-leben musste.
Die Candy-Selfie-Printer sollen vor allem in Erlebnis- und Event-Parks zu Einsatz kommen und die Tatsache, dass man bei deren Entstehung zuschauen kann, soll eine attraktive Alternative darstellen zur immer populäreren Online-Bestellung der gängigen Konsumgüter…
Eines ist mir nicht ganz klar: wenn das Porträt-Bild in groben Konturen per Zuckerpaste als Relief auf seinen Untergrund gedruckt ist – was macht man dann damit? Soll man es davon ablecken? Kann man es ablösen und knabbern oder lutschen? Hängt man es an die Wand? (Weil es in der Schublade ja wohl irgendwo ankleben würde?) Wie verschickt man es per Post, ohne das es zerbricht?
Einen Vorteil hat die Sache vielleicht: weil es so unbequem ist, dieses Zucker-Bild zu verspeisen, bleiben viele davon vielleicht unbeleckt und intakt erhalten… So entsteht eine echte Win-Win-Situation: die Candy-Leute haben den Verdienst und die Konsumenten ersparen sich den erhöhten Zucker-Konsum. Super!
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Von Heinrich von Grünigen um 15:13 |
Unlängst hat Bundesrat Alain Berset das Birchermüesli gepriesen. Es war sein Votum zum Auftakt einer Tagung zur NCD-Strategie und ging aus von der Frage: Wer hats erfunden? Natürlich die Schweizer. Alles gesunde Zutaten, bis auf eine: das Oririnal-Bircher-Rezept schrieb vor, die frischen Zutaten mit „gezuckerter Kondensmilch“ anzurühren. Den Ernährungs-Freak schaudert es.
Davon ist man heute abgekommen, wsenn auch nicht vom Zucker selbst: der steckt nun bereits industriell beigemischt in den meisten Flocken – vornehmer gesagt: Cerealien – , wie eine aktuelle Untersuchung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Vetereinärwesen BLV enthüllt.
Analysiert wurden 186 Produkte von 9 verschiedenen Firmen, alles „gezuckerte“ Flocken (und ohne die natürlichen Zuckermengen einzurechnen, die über Milch und Früchte ins Müesli gelangen), mit dem verblüffenden Resultat, dass die Frühstücksflocken, die ja in der Werbung gern als besonders gesund für die heranwachsende Jugend angepriesen werden, im Durchschnitt auf 100 Gramm (eine offizielle „Portion“ wird im Handel mit 30 Gramm berechnet, was aber in der Familientisch-Praxis eher ein Portiönchen ist) ganze 18 Gramm Zucker enthalten, das sind 6 Stück Würfelzucker. Bei einzelnen Produkten beträgt der Zucker-Anteil sogar bis zu 50 Prozent! Da könnten sich die Kids das kristalline Weiss gerade so gut mit dem Löffel in die Münder schaufeln.
Und dann wundern wir uns, dass sie dick werden. Denn auch die Nutella-Schnitte wird in der Werbung ja als glücksbringender und gesunder Sattmacher empfohlen, obwohl die braune Paste quasi nur aus Fett und Zucker besteht.
Nun soll also der Zuckergehalt in den Flocken (und in gezuckerten Joghurts) sukzessive bis Ende 2018 reduziert werden. Dazu haben sich die Hersteller in einem Memorandum of Understanding 2015 verpflichtet, indem sie versprachen, ihre Rezepturen zu überprüfen und „wo möglich und sinnvoll“ eine Reduktion des Zuckeranteils vorzunehmen. Auf freiwilliger Basis, ohne weitere Auflagen, und jederzeit innerhalb von 6 Monaten aufkündbar…
Freiwillige Vereinbarungen haben weltweit noch kaum etwas beigetragen zum Kampf gegen die Adipositas-Epidemie, dafür gibt es zahlreiche, durch die Forschung untermauerte Belege. Vielleicht ist die Schweiz auch hier ein Sonderfall und macht eine Ausnahme. Lassen wir uns überraschen. Und in der Zwischenzeit gewöhnen wir uns ans „Müesli nature“. Ist ohnehin gesünder.
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