18/3 Vom Daueressen
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:55 |
Ich habe das früher auch gemacht. Wann immer sich die Gelegenheit bot, etwas Leckeres zu verspeisen, war ich dabei. Keine Bahnfahrt von Bern nach Zürich ohne einen Kauf vom Wägelchen: einen Gipfel, wenn es hatte, die waren so gross und fluffig, oder doch ein Kägi, mindestens die spanischen Nüsslein, und natürlich ab und zu einen Fruchtsaft und dann und wann ein Sandwich.
Auch im Büro konnte ich es mir oft nicht verkneifen: in der Schublade eine Tafel Schokolade, ein Säckchen mit gerösteten Cashew-Nüssen oder eine angebrochene Darvida-Packung… die hatten keine lange Überlebenschance. Und wenn der nächste Tram-Anschluss auf sich warten liess, lag locker noch ein Zwischenstopp beim Take-Away-Pizzaladen drin, wo man die Stücke schon so mundgerecht zuschneidet, dass sie sich leicht mit dem kleinen Plastic-Gäbelchen zwischen die Lippen schieben lassen.
Im Fachjargon nennt man dieses Essverhalten: Nibbling oder Grazing. Da wird dauernd etwas genascht, geschnaust, geknabbert… wie die Kühe auf der Weide, die dauernd ihr Maul im Gras haben und mampfend ihr Futter rupfen, den lieben langen Tag lang. Kein Wunder, wurden wir dabei dick und dicker. Kein Wunder, lässt sich die Adipositas-Epidemie nicht aufhalten bzw. eindämmen, werden wir doch unablässig mit Ess-Verführungen eingedeckt.
Dieser Tage ist unmittelbar neben meiner Haustür eine neue Wurst-Bar in Betrieb benommen worden: hier soll es die besten Bratwürste geben, die sonst nur am legendären „Sternen-Grill“ am Bellevue zu haben sind. Keine fünfzig Meter davon entfernt habe ich einen neu eröffneten Schalter entdeckt, an dem Crêpes verkauft werden, den gabs bisher auch noch nicht. Und einige Schritte weiter hat es jetzt ein neues Speiselokal, wo früher ein Stoffwaren-Geschäft war, das über den Tresen Salatschalen und Anderes zum Mitnehmen verkauft…
Wie eine höhnische Bestätigung liest sich da der Bericht über eine Studie an Mäusen (in der aktuellen Ausgabe des Beobachters): zwei Gruppen von Nagern erhielten genau gleich viel Futter. Bei der einen Gruppe war die Nahrungsaufnahme nur während acht Stunden möglich, die andere Gruppe hatte rund um die Uhr Zugang zum Fressen. Die Mäuse mit der begrenzten Fressenszeit blieben normalgewichtig, die Dauer-Fressenden wurden dick und starben früher, obwohl sie mengenmässig nicht mehr Nahrung zu sich nahmen als die andern. Kommentar überflüssig.