6/6  Selbstbestimmt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:32

Alle Jahre wieder. Schon zum vierten Mal in Folge hat die Informationsgruppe Erfrischungsgetränke bei einem repräsentativen Panel von 1’000 StimmbürgerInnen deren Einstellung gegenüber allfälligen staatlichen Massnahmen zur Regulierung des Umgangs mit „ungesunden“ Lebensmitteln erfragen lassen. Das gfs-Institut hat diese Umfrage durchgeführt.

Das Resultat der vierten Welle ist an sich nicht überraschend. Noch immer bekundet eine satte Mehrheit der Befragten, dass sie – vor die Wahl gestellt, ob sie selber darüber entscheiden möchten, was und wieviel sie essen, oder ob sie vorziehen, dass Väterchen Staat ihnen dies vorschreibt – sich beherzt für die individuelle Freiheit und damit für ihre Selbstverantwortung aussprechen. Alles andere hätte im Land der Tellensöhne und -töchter mehr als verwundert.

Und doch zeichnen sich nach vier Jahren bei praktisch gleichbleibender Fragestellung gewisse Tendenzen ab: so hat sich der Anteil derer, die der Einführung einer Besteuerung von „ungesunden“ Lebensmitteln (zu viel Fett, Salz und vor allem Zucker) seit letztem Jahr vergrössert von 20% auf 30%. Die Zustimmung ist in der Suisse Romande mit 39% deutlich höher als in der Deutschschweiz (27%). Das mag damit zusammenhängn, dass in zwei welschen Kantonen (Neuenburg und Waadt) ein politischer Entscheid über konkrete Vorschläge zur Einführung entsprechender Steuern hängig sind und in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Interessant ist auch, dass der Gedanke, die an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung für ungeeignete Lebensmittel zu regulieren, an Boden gewinnt und dass eine deutliche Mehrheit sich eine bessere Nährwert-Deklaration wünscht und eine konstruktive Kooperation der Lebensmittel-Produzenten mit staatlichen Instanzen begrüssen würden.

Die Umfrage ist zwar so angelegt, dass ihre Auftraggeber vor allem jene Resultate herauslesen könnn, die ihre eigene Argumenation stützen („76% der Schweizer halten eine Zuckersteuer für ungerecht“ – „für 70% der Schweizer ist die Eigenverantwortung bei Ernährungs- und Gesundheitsfragen zentreal“ – „die Mehrheit der Schweizer ist sich sicher, dass Ernährungsgewohnheiten nicht mit Steuern geändert werden können“). Aber zwischen den Zeilen lassen sich auch Trends herauslesen, die den Gesundheitsverantwortlichen Hoffnung geben können.

Aber zu einer wirkungsvollen geetzlichen Regelung ist es noch ein weiter Weg. Positiv stimmt mich die Tatsache, dass die Getränke-Industrie sich seriös mit der Thematik befasst und offen ist für den Dialog. Fast etwas Mitleid erweckt der Rivella-Boss, wenn er sagt, man könne doch das Problem der Adipositas-Erkrankten nicht einfach der Getränke-Industrie anlasten, deren Umsatz ohnehin in der letzten Zeit kaum mehr gewachsen sei…

Und das ist ebenfalls ein spezieller Diskussionspunkt: eines der Verteidigungsargumente der Getränkeleute besagt, dass „Erfrischungsgetränke nur einen kleinen Teil der täglichen Kalorienzufuhr der Europäer ausmachen“. Das mag statistisch korrekt sein. Aber: beim Zucker geht es eben gerade nicht um die Kalorien, sondern um die generell schädlichen Auswirkungen auf den ganzen Stoffwechsel und die daran beteiligten Organe, wenn er im Übermass genossen wird. Und hier ist jede noch so geringe Reduktion der Gesamtmenge erstrebenswert und segensreich. Die Empfehlungen der Weltgesundheits-Organisation WHO sind in dieser Hinsicht eindeutig.

Die kompletten Unterlagen der Studie finden sich auf der Website der IG Erfrischungsgetränke.