21/7  Gruss aus Singapur

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:43

Es ist Sommer und im Büro nicht viel los. Da freut man sich über jede Abwechslung. Auf dem Telefondisplay erscheint eine lange Nummer, sie muss ausländisch sein. Man ist gespannt und nimmt nicht ohne Vorfreude ab.

Am Draht ist ein Mann. Er spricht englisch mit fremdländischem Akzent und fragt, ob er mit Mr. Einrich reden könne. Als ich ihm sage, das sei ich selber, erklärte er, er mache eine Umfrage im Auftrag eines City-Newspapers (soviel ich verstanden hatte). Im Hintergrund plapperten vielfältige Stimmen eines Callcenters. Dann wollte er wissen, wie alt ich sei, ob ich eine Liegenschaft besitze, ob ich zur oberen oder zur unteren Mittelschicht gehöre und ob ich mich in Gelddingen beraten lasse oder nicht… Die Frage, die ihn am meisten beschäftigte war die, ob ich glaube, dass in meiner Region die Armut in den letzten 12 Monaten zugenommen oder abgenommen hätte. Als ich ihm erklärte, das wüsste ich nicht, da mir entsprechende Erkenntnisse fehlten, insistierte er weiterhin, bis ich das Gespräch abbrach, weil mein Handy klingelte.

Vorher hatte ich ihn noch gefragt, um was es denn nun effektiv ginge? Ob er mir etwas verkaufen wolle, mich dazu bringen, einen Vertrag zu unterschreiben oder was? Und er schwor mir bei allem, was ihm heilig sei, dass ich nie mehr etwas von ihm hören würde, wenn ich ihm noch die letzten Fragen beantworten würde, nur noch eine Minute lang…

Der Mann hörte sich an wie Rajesh („Raj“) Koothappali in der Serie „The Big Bang Theory“, weshalb ich bei einer Frage sagte, ich sehe nicht ein, was meine privaten Besitzverhältnisse die Menschen in Indien oder am Hindukusch angehen könnten… worauf er eindringlich darlegte, dass seine Firma ihren Sitz in Singapur habe und nicht in Indien!

Ich hatte noch keine 10 Minuten aufgelegt, als eine ähnliche Nummer im Display erschien. Es war derselbe Mann. Er sagte, er wolle mir nur noch eine einzige Frage stellen. Das wegen der Armut. Ob er mich korrekt verstanden habe, dass ich ihm nicht genau sagen könne, ob die Armut in meiner Region zu- oder abgenommen habe? – Jetzt dämmerte mir, es könnte sich bei diesem Anrufer tatsächlich um einen dieser gefakten Umfrager handeln, welche im Gespräch am Telefon ein klares „Ja“ hören und aufnehmen wollen, mit dem sie dann später einen „Vertrag“ begründen können, den man telefonisch abgeschlossen haben solle… Und ich sagte ihm, er könne so lange fragen, wie er wolle, von mir höre er nichts mehr. Und wenn es ihm oder seinen Auftraggebern einfallen sollte, mich weiterhin in irgendeiner Form zu belästigen, würde ich gerichtlich gegen sie vorgehen… Zum Abschluss sprach ich ihm allerdings mein Mitgefühl dafür aus, dass er sein Brot am Hindukusch mit einem so miesen Job verdienen musste. Ob er daraufhin noch etwas gesagt hat, habe ich nicht mehr mitbekommen.

Aber die Geschichte hat mir doch den Nachmittag verkürzt…