25/9  Gesucht: Publikum

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:12

Es war wunderbares Herbstwetter. Den ganzen Samstag-Nachmittag beschien die Sonne das Ufer des Zugersees. Vertreterinnen und Vertreter von insgesamt 17 Patientenorganisationen hatten sich eingefunden, um auf Einladung der Pharma-Firma abbvie den diesjährigen Event „Walk & Talk“ zu begehen.

Begehen im wahrsten Sinn des Wortes, denn es galt, in verschiedenen Gruppen unterschiedliche Wanderrouten in der Zuger Region zurückzulegen. Wer nicht gut zu Fuss war, konnte eine Schifffahrt buchen und so einen gemeinsamen Ausflug verbringen. Ziel der – wie immer perfekt organisierten – Veranstaltung einerseits: die verschiedenen Organisationen, die sich alle für das Wohlergehen „ihrer“ Patienten engagieren, untereinander ins Gespräch zu bringen und anderseits auch einer interessierten Öffentlichkeit Informationen über die jeweiligen Krankheitsbilder zu vermitteln.

Eine öffentliche Podiumsdiskussion mit Experten und Politikern aus dem Gesundheitswesen brachte zwar keine revolutionären Erkenntnisse, zeigte aber die komplexe Situation in der Schweiz auf, wo die Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung bei den Kantonsregierungen angesiedelt ist und der Bund kaum Mittel und wenig Einfluss hat, was es den meist auf Fronarbeit beruhenden Gesundheits-Organisationen nicht leichter macht, an die benötigten Betriebsmittel zu kommen.

Viel Lob und Anerkennung für unsere Tätigkeit waren seitens der Politik zu vernehmen, auf die materielle Situation der Akteure hatte dies jedoch keinen Einfluss.

An einer schönen Stellwand waren Plexiglas-Boxen angebracht, in denen die beteiligten Organisationen ihr Informations-Material für die Passanten anbieten konnten. Gut gemeint. Aber wer will sich schon freiwillig mit chronischen Krankheiten befassen, wenn er an einem so herrlichen Nachmittag der Seepromenade entlang flaniert?

Da hatten es Gruppierungen leichter, die für eine offensichtlich „gute“ Sache warben: sie konnten ihre Flyer grosszügig im Publikum streuen und für Unterstützung werben bei Krankheiten, die einen offensichtlichen Schicksalsschlag darstellen… oder die in der Öffentklichkeit kaum bekannt sind. Was aber machen wir mit Übergewicht und Adipositas?

Da stand ich denn, mit meinen Flyern ibn der Hand, etwas verloren in der herbstlichen Landschaft, und überlegte mir, ob es korrekt und angemessen wäre, jene Frau oder diesen Mann, die durch eine gewisse Leibesfülle auffielen, anzusprechen… Aber was hätte ich denn sagen sollen? Möchten Sie abnehmen? Haben Sie nicht auch das Gefühl, Sie sollten endlich etwas gegen Ihr Gewicht tun? Haben Sie es schon mal ernsthaft versucht..?

Ein paar Flyer bin ich losgeworden. An Leute, die mich offenbar vom Fernsehen her kannten… Die es wagten, mich anzusprechen. Aber übergewichtig waren sie nicht eigentlich.