28/5  Mythos vom gesunden Dicken

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:30

Er hält sich hartnäckig. Neuerdings wird er durch eine Studie aus Kanada gestützt: während rund 20 Jahren wurden 11’000 Leute überwacht. In dieser Zeit verstarben 3’000 der Probanden, rund ein Drittel davon an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Analysiert wurde u.a. auch der Stoffwechsel der TeilnehmerInnen.

Kurzgefasstes Resultat der Studie: adipöse Teilnehmende, die nicht am metabolischen Syndrom (hoher Blutdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterin- und Blutfettwerte) litten, starben nicht früher als andere, woraus sich schliessen lässt, dass Übergewicht und Adipositas „an sich“ nicht lebensverkürzend wirken. Massgeblich beteiligt sei vielmehr ein Vitamin D-Mangel. Aber (und zu dieser Erkenntnis kommen ja praktisch alle Forscher) das Thema müsse unbedingt weiter erforscht werden.

Diese Studie ist natürlich Wasser auf die Mühle all derer, die behaupten, Adipositas sei ja gar keine Krankheit. Krank sei einzig, wer an den sogenannten Begleiterkrankungen  leide. Dies mag bei jungen und jüngeren Betroffenen teilweise zutreffen, jedenfalls was die anfängliche Selbstwahrnehmung betrifft. Viele fühlen sich trotz erheblichen Übergewichts fit und unternehmungslustig und nehmen sich selber nicht als erkrankt wahr.

Aber das ist leider ein Trugschluss: mit fortschreitendem Alter (und Gewicht) machen sich Abnützungserscheinungen und Beeinträchtigungen bemerkbar, Gelenke schmerzen, das Atmen wird beschwerlich, Treppensteigen wird zur Qual, die Körperfülle wird als einschränkend erlebt, alltägliche Verrichtungen fallen schwer und schwerer…

Der „gesunde Dicke“ ist eine Legende, eine gehätschelte Ausrede für Präventions-Gegner, um sich vor verantwortungsvollen Massnahmen zu drücken. Er ist aber leider auch ein Zufluchtsort für Menschen, die erst am Anfang ihrer Adipositas-Karriere stehen und es nicht wahr haben wollen, dass sie auf sich selber achten müssen, um spätere Schäden zu vermeiden. Da sind solche Studien auch nicht hilfreich, denn sie sagen nichts aus über die Lebensqualität der Betroffenen.