30/9 Food, Health & Society (II)
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:59 |
Was eigentlich ist Food Literacy? – Es sei, fanden wir im Gespräch heraus, die Fähigkeit, aufgrund von Wissen und von Kenntnis die richtigen Entscheidungen zu treffen, um sich im Alltag so zu ernähren, dass es die Gesundheit fördern kann…
Das klingt so kompliziert, wie es in der Praxis auch ist. Es war das Thema unseres Workshops im Verlauf des zweiten Tags des Swiss-Re-Meetings. Zwei ergraute Häupter kreuzten auf dem Podium verbal die Klingen: auf der einen Seite Fürsprecher Beat Hodler, Geschäftsführer des Dachverbandes der Schweizer Lebensmittel-Industrie und erster Lobbyist, wenn es darum geht, die Branche vor Regulierung zu bewahren… und auf der andern Seite ich als Präsident der Adipositas-Stiftung, ebenso um ein aktives Lobbying bemüht, wenn es darum geht, die Verhältnisse im Interesse der von Übergewicht Betroffenen in unserem Sinn zu beeinflussen… In vielen Punkten waren wir uns recht einig, was die Bedeutung des Wissens um Hintergründe und die Verantwortung für eine frühe Schulung betrifft.
Alle müssten gemeinsam zur Lösung des Problems beitragen, das war unser Fazit, die Gesellschaft als Ganzes sei gefordert, man dürfe nicht einseitig alle Schuld der Lebensmittel-Industrie zuweisen, sie habe schon markante Schritte eingeleitet und Massnahmen zur Selbstregulierung getroffen. Aber das Problem ist so komplex, dass einzelne Aktionen kaum nachhaltig zur Lösung beitragen; nur im Verbund aller Kräfte auf allen Ebenen kann möglicherweise etwas bewirkt werden. – Am Morgen hatten zwei Referate nochmals neue fachliche Horizonte eröffnet: Erich Windhab, Professor für Food Engineering an der ETH Zürich, zeigte auf, wie Nahrungselemente, auf die der Mensch angewiesen ist, um gesund zu leben, durch industrielle Prozesse in Lebensmittel eingefügt werden können, aber auch wie die Physiologie einzelner Produkte so beeinflusst werden kann, dass sie z.B. geschmacklichen Erwartungen entsprechen… – Ingrid Hoffmann, Professorin für Nutrition Ecology an der Justus-Liebig-Universität Giessen, legte anhand von zwei Gourmet-Menüs, die sie unter verschiedenen Gesichtspunkten analysierte, die ökologischen Perspektiven einer globalisierten Lebensmtitelproduktion dar. Auf eindrückliche Weise zeigte sie, wie wir durch eine kluge und bewusste Auswahl unserer Nahrungsmittel nicht nur unsere Gesundheit befördern, sondern auch zur ökologischen Stabilisierung beitragen könnten, wenn wir z.B. weniger Fleisch konsumieren und bevorzugt saisonale Produkte aus der Region verzehren würden.
Die Tagung hat keine sensationellen oder gar revolutionären Erkenntnisse gebracht… aber ihr grosses Verdienst liegt darin, dass Spezialisten aus verschiedenen Bereichen sich gemeinsam einem Thema gestellt haben, mit dem sie sonst nur fachspezifisch isoliert konfrontiert sind. Es ist zu hoffen, dass einige der Thesen und Fakten, die vermittelt wurden, haften bleiben und nachwirken, denn das Thema wird uns noch lange beschäftigen. – Eine Tagungsdokumentation wird gelegentlich hier aufgeschaltet.