3/12 2 für 1
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 15:11 |
Als das Fernsehen anrief, erinnerte ich mich, darüber gelesen zu haben. Allerdings hatte ich damals der Sache keine besondere Beachtung geschenkt. Irgendwie war es darum gegangen, dass eine Fluggesellschaft von einem Gericht dazu verurteilt worden war, stark übergewichtigen Passagieren zwei Plätze zum Preis von einem zu überlassen.
Nun also wollte das Schweizer Fernsehen ein Statement von mir. Es handelte sich um Air Canada und man suchte wenn möglich eine Konfrontation zwischen der SAPS und der Swiss, am besten in einem Flugzeug, on location sozusagen. – Was gab es da zu bemerken? Grundsätzlich ist das Urteil des Kanadischen Supreme Court zu begrüssen, setzt es doch ein deutliches Zeichen gegen die Diskriminierung adipöser Menschen. Im gleichen Zug wurde die Fluggesellschaft auch verpflichtet, bei anderen Behinderungen zusätzlich und unentgeltlich Platz anzubieten, etwa wenn Rollstuhlfahrer mit einer Begleitperson reisten.
In der Zeit, als ich selber 165 Kilo wog, hatte ich zur Genüge die beschämende Erfahrung gemacht, wie man sich fühlt, wenn man den Sitznachbarn in die Enge quetschen muss, wenn man spürt, wie dieser innerlich rebelliert gegen die Zumutung, neben einem über die Sitzlehne quellenden Koloss reisen zu müssen, der so in seinen Sessel eingezwängt ist, dass er kaum atmen und sich nicht mehr bewegen kann… Wenn immer möglich versuchte ich, mit jemandem zu reisen, den oder die ich kannte, die dünn waren, so dass ich die Armlehne hochklappen konnte (wenn dies technisch ging) und wir uns zu zweit in die beiden Sitze teilten…
Oftmals, das will ich gerne einräumen, hatte das Personal schon beim Einchecken ein Einsehen, indem man – wenn es sich von der Belegung her machen liess – den Platz neben mir nicht vergab, so dass ich im Prinzip das kanadische Privileg schon geniessen konnte. Man ist ja als Adipöser auf dem Flug ohnehin noch gestraft genug: das Tischchen kann man nicht so herunterklappen, dass es waagrecht wäre, für den Sicherheitsgurt muss man um eine Verlängerung betteln, in der Bord-Toilette kann man sich kaum drehen und schon gar nicht bücken…
Trotzdem bin ich überzeugt, dass die kanadische Regelung vor allem den normalgewichtigen Mitreisenden zugute kommt, die für ihr teures Geld Anspruch auf einen unbehelligten Flug haben. – Wie weit es bei allen Flugzeug-Typen problemlos möglich ist, die Lehne so hochzuklappen, dass die beiden Sitze auch wirklich als einer genutzt werden können, vermag ich nicht zu beurteilen. Unsere Stiftung vertritt schon länger die Forderung, dass die Fluggesellschaften entsprechend der Prävalenz adipöser Menschen in der Bevölkerung mindestens einen Viertel ihrer Sitze generell breiter gestalten müssten, um dickere Menschen dort zu platzieren. Es ist ja eine perverse Gegenläufigkeit festzustellen, dass auf der einen Seite die Menschen immer grösser und dicker werden… und auf der andern Seite die Airlines in ihrem ruinösen Preiskampf die Sitze immer schmaler und die Zwischenräume von Reihe zu Reihe immer kleiner machen (müssen).
Wenn hier also die kanadische Gerichtsbarkeit ein deutliches Signal gegeben hat, ist das nur zu begrüssen. Leider hat sich das Fernsehen bisher nicht mehr gemeldet, was den Dreh auf dem Flughafen betrifft.