28/6 Was ist aus uns geworden?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:09 |
Heute hat mich unverhofft die Vergangenheit eingeholt. Ein ehemaliger Schulkamerad hat mir eine Klassenfoto aus dem Jahre 1952 geschickt. Ich war nie ein Hirsch im Aufbewahren von Fotos… zwar haben wir schachtelweise z.T. vergilbte Aufnahmen aus allen familiären Epochen, die wir von Zeit zu Zeit durchstöbern um die Namen der darauf abgebildeten Personen heraufzubeschwören… aber sie sind weder nach Themen noch nach Jahrgang geordnet. Immer wieder habe ich den diskreten Auftrag vernommen: Wenn du mal pensioniert bist, dann kannst du all diese Bilder sortieren und beschriften… Aber bis jetzt war ich offenbar noch nicht ausreichend pensioniert.
Und da kommt jetzt also dieses Bild aus dem Progymnasium Bern, mit 27 hoffnungsfrohen kleinen Burschen, gerade mal 11 Jahre alt… (mir fällt auf, dass ich der einzige Brillenträger war). Aufrecht in der Mitte steht der Klassenlehrer Erich Hegi, vom dem man damals munkelte, er sei ein höheres eidgenössisches Tier, jedenfalls gehörte er der Kommission für die pädagogischen Rekrutenprüfungen an, was uns einen ehrfürchtigen Respekt einflösste.
Hier sitzen sie also in den Zweierpulten und blicken fröhlich zur Kamera. Sie verströmen eine gewisse Unschuld und auch Verletzlichkeit, fast könnte man sagen Anmut, diese Gymnasiasten im Vorstadium, keiner ist übergewichtig… nur Hans B. überragte uns damals um mehr als eine Kopfeslänge und fast doppelt so breit wie die andern war er auch… es sei eine Wachstumsstörung, wurde uns gesagt, und das war es wohl auch: als Kind war er viel zu schnell in die Höhe geschossen.. und diese Statur blieb denn auch seine definitive Grösse: als ich ihn viele Jahre später wieder sah, wirkte er klein und gedrungen, viel zu kurz geraten im Vergleich mit uns anderen, die wir noch kräftig an Höhe zugelegt hatten.
Wer das schmächtige Büblein im grünen Plüschpullover sieht, das ich damals war, würde keinen Moment daran glauben, was 57 Jahre später daraus geworden ist. So ist wohl alles in Relation zur jeweiligen Umwelt zu setzen und sicher ist nur, dass das, was einmal war, nicht mehr zurück kommt.