22/7 Gomfi-Traum
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:17 |
Ich weiss, es ist ernährungspolitisch unkorrrekt, von einer Konfitüre zu schwärmen, die zähflüssig wie ein Fruchtbonbon am Löffel klebt und kaum wegzuschlecken ist, während sich die Werbung mit Anpreisungen überschlägt à la: ohne Zuckerzusatz, mehr Frucht – weniger Zucker, 50% weniger Kalorien… Und doch hat mich heute die Nostalgie voll erwischt:
Zuerst die Kirschen direkt vom Baum gepflückt, der hinter dem Haus im Garten steht. Ein kurzstämmiger Baum, die untersten Äste sind bequem im Stehen erreichbar. Und man muss sich sputen, denn die Vögel haben auch gemerkt, dass die Kirschen jetzt reif sind. Der Baum hängt voll, trotz – oder gerade wegen? – des nassen Frühlings. Ein gutes Pfund abgelesen, für den Anfang.
Dann das Entsteinen. Ich erinnere mich, dass wir früher zu diesem Zweck in Flaschenkorken gebogene Haarnadeln montiert hatten, mit denen wir dann die Steine aus den Kirschen pulten. Da war ein Kniff, den man anwenden musste, nicht zu fest zuzudrücken, damit das weiche Fleisch der Frucht nicht durch die ganze Küche spritzte und damit nicht zu viel vom Fleisch am Stein haften blieb… Was aber nichts daran änderte, dann wir nach kurzer Zeit den blauen Kirschensaft bis hinter den Ellenbogen hatten. Später gab es dann eine kleine Maschine aus Plastic, ein raffineirtes Ding, wo man die abgestielten Früchte vorne einführen konnte, dann schlug man von oben eine stählerne Klaue nach unten, die sich in die Kirsche bohrte und sich den Kern griff, ihn durch ein kleines Kreuz in einer Gummidichtung presste, so dass nur der Stein in den unten angeschraubten Behälter durchflutschte, während die Frucht oben blieb und von der zurückfedernden Klaue mitgerissen und abgestreift wurde, so dass sie mit flutschigem Plumps nach hinten in eine Schüssel fiel.
Dieses Gerät fand sich noch in einer Schublade, und es funktionierte wie einst im Mai. Die steinlosen Früchte und gleich viel Zucker (!) kamen in eine Pfanne, wurden ausgiebig gekocht, bis sich die Flüssigkeit eindickte… ich stand am Herd und meine ganze Konfitüren-Kindheit kam mir wieder hoch, mehr als ein halbes Jahrhundert ist es, seit Mutter mir die Anweisungen gab, wie zu rühren sei, worauf bei den aufsteigenden Zuckerblasen zu achten sei und wie man die Konsistenz anhand der erstarrenden Tropfen an der Kelle prüft. Blos, dass wir damals in der Saison tagelang und kilowseise Früchte eingekocht haben.
Mit der erforderlichen Geduld stellte sich auch diesmal ein schöner Erfolg ein. Immerhin anderthalb Gläser gab es: dunkelblaue, klebrig-süsse Masse mit Kirschen drin… und eine Pfanne zum Ausschlecken, wie damals… und die Vorfreude, bis sich morgen zum Frühstück die erkaltete Konfitüre auf ein Butterbrot streichen lässt. Nicht ganz kalorienfrei – aber lecker.