15/11 Kontaktsperre
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:24 |
Was wäre, wenn wir plötzlich von der Umwelt abgeschnitten wären. Die alte Story, dass jemand in einer Berghütte eingeschneit wird, nicht mehr nach draussen kann – und dann fällt eine Tanne auf die einzige Telefonleitung… aus und fertig! Man ist isoliert, stumm und weg vom Fenster.
Irrtum, sagen Sie, das war einmal, in grauer elektronischer Vorzeit. Inzwischen wurde das Handy erfunden, sogar ein Satellitentelefon gibt es, mit dem man mitten aus der Wüste Gobi beim grössten Sandsturm eine Verbindung in die Heimat aufbauen kann, wenn man Hilfe braucht. Keiner muss mehr allein sein. Und wenn er sich lange genug nicht mehr meldet, kann die Polizei sogar sein Handy orten, fast auf den Meter genau, da dieses überall und jederzeit seinen digitalen Fussabdruck hinterlässt.
Denkt man. Und dann passiert einem das, was mir heute passiert ist. An einer Konferenz, deren Co-Präsidium ich innehatte, ging ein strenger Sitzungstag zuende. Als letztes Traktandum wurde noch das nächste Treffen terminiert, das entsprechende Datum in die Agenda eingetragen und auch im Datenspeicher des Handys notiert. Beide Hilfsmittel zur Terminplanung lagen friedlich vor mir auf dem Tisch, als jemand daran erinnerte, dass wir jeweils am Ende der Tagung eine Art Klassenfoto machen, wie die Grossen der Welt, die sich bei ihren Gipfeltreffen auf irgendwelchen Gipfeltreppen aufstellen, um sich ablichen zu lassen, ordentlich in Reih und Glied. Sofort flammte Hektik auf, von flinken Händen wurde der präsidiale Tisch weggetragen, man gruppierte sich, suchte nach noch besseren Lösungen, es musste auch noch eine Treppe sein – kurz, nach dem Schnappschuss ging es ans Abschiednehmen, wenn man Glück hatte, konnte man noch einen früheren Zug erwischen, und schon waren alle in sämtliche Winde verstoben.
Auf die letzte Sekunde habe auch ich es geschafft, hinter mir schloss sich die Zugstür, schnaufend liess ich mich ins Polster fallen, während draussen der Bahnhof nach hinten verrauschte. Als ich die frühere Heimkehr meinen Lieben zuhause signalisieren wollte, merkte ich, dass ich mein Handy nicht dabei hatte. Und auch die Agenda fehlte. Es fiel mir ein, dass ich beides auf dem Tisch gelassen hatte, bevor wir uns für die Ablichtung aufstellten. Die Nummern derer, die jetzt noch am Aufräumen waren, hatte ich auf dem Handy gespeichert… und zur Sicherheit waren sie auch in der Agenda vermerkt.
Zuhause angekommen, erwartete mich bereits die Meldung, meine Gerätschaften seien gefunden und würden am Montag zur Post gebracht. Jetzt habe ich zwei Tage in der eingeschneiten Berghütte vor mir.