22/12 Bonus-Nachtrag
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:40 |
Die FDP-Idee, die am Sonntag durch eine Indiskretion in die Presse kam, hat Wellen geworfen und wurde grossmehrheitlich in den Medien abgelehnt. Allerdings zeigte die Publikation des ganzen Papiers, dass die erste Information wohl unvollständig war. Es ging nicht – wie aus dem ursprünglichen Bericht zu schliessen war – darum, dass die „Gesunden und Fitten“ gegen die „Ungesunden“ (und mithin mehrheitlich Übergewichtigen) ausgespielt werden sollten, sondern es handelt sich um ein eigentliches Programm zur Verschlankung der Dicken.
Übergewichtige Menschen, die mit Erfolg abgenommen haben, sollen einen Prämien-Bonus erhalten. Auf diese Weise soll ihre Motivation unterstützt, soll ein Anreiz geschaffen werden, mit möglichst grosser Konsequenz Gewicht zu verlieren und nicht mehr rückfällig zu werden.
Das tönt zwar anders als das, was man am Sonntag zu verstehen meinte – aber ist es auch realistisch? Ist es in der Praxis umzusetzen? Wer eine Adipositas-Karriere hinter sich hat, weiss, dass es grundsätzlich „leicht“ ist, abzunehmen. Die Unmöglichkeit liegt darin, dass es den wenigsten gelingt, das tiefere Gewicht auf Dauer zu halten. Die statistische „Rückfallquote“ beträgt 85 Prozent, wenn jemand versucht hat, mit mehr Bewegung und anderer Ernährung abzunehmen. Nur die chirurgischen Eingriffe zeigen bisher eine mehrheitlich nachhaltige Wirkung. Angesichts dieser Ausgangslage wäre es eigentlich zwingend, in erster Priorität durch geeignete Verhältnis-Prävention zu erreichen, dass anfällige Menschen in einer weniger „gefährlichen“ Umwelt aufwachsen und leben müssen. Aber hier sind es gerade wieder die lieben Leute vom Freisinn, die sich hartnäckig jedem Regelungsvorschlag widersetzen und die Legende von der Selbstverantwortung beschwören.
Sauberes Trinkwasser ist ein Menschenrecht in zivilisierten Gesellschaften. Niemandem würde es einfallen, in die Leitungen verseuchtes und gesundheitsschädliches Wasser einzupumpen und dann zu sagen, der Einzelne sei selber verantwortlich, ob er davon trinken wolle oder nicht… Aber bei der Nahrung wird der Markt unter dem Vorwand des freien Wettbewerbs vollgepumpt mit Produkten, die unser Körper nicht braucht zum Überleben und die ihm nachhaltige Schädigungen zufügen können. Zur Lebensmittel-Sicherheit gehört nicht nur das Fehlen von effektiven Schadstoffen, sondern auch die Einschränkung des Handels mit Dingen, welche die Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen, die einer einseitigen Ernährung Vorschub leisten können… und eine klare Regelung der Werbung für solche Produkte.
Solange die Politik sich der Diskussion dieser Forderungen verweigert, ist ein Vorschlag zur Modifizierung der Krankenkassenprämien unglaubwürdig und reine Spiegelfechterei.