26/2 Schoggi-Medaillen
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 7:56 |
(Vorbemerkung: leider konnte mir bluewin gestern Abend – nicht zum ersten Mal – keinen Zugang zum Internet und damit keine Datenübertragung ermöglichen. Deshalb erfolgt der Samstags-Eintrag erst am Sonntag. Sorry.)
Der Medaillen-Taumel schwappt über das Land und lässt sogar den Bundesrat Christoph euphorisch werden, der sonst nur bei Wienerli und Senf aus dem Herrliberger Häuschen gerät; und auf der Suche nach Beliebtheit wirft er seinen biblischen Vornamen den unschuldigen Gewinnern Philipp und Simon Schoch ungefragt nach, wie er dies von seinem halben, damals präsidialen Kollegen Sämi abgeguckt hat…
Was soll solche Schulmeisterei an dieser Stelle? Ein Bundesrat kann doch Duzis machen, wann und mit wem er will! Aber es ist nicht immer dasselbe, wenn zwei das Selbe tun. Das ging mir durch den Kopf, als ich heute im Zug zur MUBA die Olympia-Extra-Ausgabe des FotoBlick angeschaut habe. Auf der Titelseite die Bilder aller Gewinner. Ah, denke ich, hier wird das Beste aus der Turiner Bild-Ausbeute nachgeliefert, das in der Hektik der tagesaktuellen Berichterstattung quasi dem Bildredaktionsstift zum Opfer gefallen ist. Und ich freue mich auf einige gelungene Schnappschüsse unserer Star-Lichtbildner im Sport-Einsatz.
Aber weit gefehlt! Als ich das Heft aufschlage, springt mir rechterhand eine ganzseitige Frigor-Werbung ins Auge, in sattem Rot mit Silberglanz stehen die Schokolade-Tafeln schön verpackt und aufgereiht in strammer Parade. Nun gut, Reklame muss sein, sonst wären die Zeitungen zu teuer. Doch auf Seite fünf glitzert eine silberne Winterpracht von schön arrangierten Cailler-Femina-Pralinés wie ein Städtebild im Schnee. Hoppla, das war der Reminder. – Auf Seite sieben schlägt die Schokolade wieder zu: auf einem symbolischen Weltmeer aus Schokolade-Wellen schwimmen in Kontinentalform angeordnet die verführerischen Cailler-Ambassador-Pralinés und auf Seite neun dehnt sich flächendeckend eine endlose Weite aus Tafelschokolade „Noir éclats de caramel“…
Jetzt endlich habe auch ich es begriffen: Die Sieger und Stars sind nicht die Sportler, deren Porträts in Briefmarkengrösse auf Seite vier neben der Femina-Winterstadt zu sehen sind und die dann auf den folgenden linken, kaum beachteten Seiten mit Dutzendaufnahmen, die wir schon zigfach in allen Medien gesehen haben, in Aktion und Siegerpose abgebildet werden, nein, absolut beherrschend ist die Schokolade, gleichsam das Glücks-Doping für den helvetischen Medaillen-Rausch. Und die Botschaft ist klar: Ohne Schoggi kein Sieg und ohne Sieg keine Freude.
Es gibt dann auch noch ein Subaru-Inserat. (Wie heisst noch der Skifahrer, der uns seit seiner Goldmedaille Subarus zu verkaufen versucht?) und eines von orange, schliesslich muss man seine Freude ja mit anderen teilen können. – Und winzig klein, angeklebt am Rand auf Seite siebzehn, ist dann noch der Sportminister, Sämi Original, mit freundlichem Gesicht unter den fünf Ringen, und sagt uns zum wiederholten Mal, dass er stolz sei auf „unser Olympiateam“.
Eigentlich nichts als logisch: Auf der Lebensmittelpyramide zur gesunden Ernährung steht die Schokolade als Genussmittel auch ganz oben.
(Nachtrag: Die identische Cailler-Werbe-Strecke findet sich heute in strahlendem Glanz in der SoBli-Beilage Sie+Er. So hat sich die aufwändige Arbeit der Fotografen, Grafiker und Bildbearbeiter doch auch gelohnt.)