26/2  Dicksein ist (k)eine Schande

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:45

Letzter MUBA-Tag. Bilanz: Grundsätzlich positiv. Viele anregende Begegnungen und Impulse, wichtige Nähe zum „Kunden“, obwohl ja jene, die es effektiv nötig hätten, sich beraten zu lassen, in der Regel einen Umweg um solche Gesundheits-Informationen an Messen machen.

Der „Banner“, mit dem wir auf die Adipositas-Stiftung aufmerksam machen, trägt ein weithin sichtbares Motto: Dicksein ist keine Schande. – Es ist interessant zu beobachten, wie Vorübergehende auf diese Worte reagieren. Viele schauen hin, lächeln, geben ihrem Nachbarn (meist die Ehefrau dem rundlichen Ehemann) einen diskreten Schubs mit dem Ellbogen, oder sie raunen sich zu „Siehst du!“… einige kommen zu Stand und sagen: „Gut, dass jemand darauf hinweist!

Heute pflanzt sich ein spotlicher jüngerer Mann vor mir auf, an seiner Brust ein Schild, das ihn als Aussteller ausweist: „Masseur“ an einem der zahllosen Fitness-Stände. Mit der leicht schneidenden Schärfe in der Stimme, die denen eigen ist, die überzeugt sind, dass sie Recht haben, sagt er: „Dieser Satz ist falsch!“ Ich versuche ihm zu erklären, weshalb wir gerade auf diese Formel gekommen sind, weshalb es für adipöse Menschen wichtig ist, dass man sie entlastet von der Hypothek der Vorurteile, die seien haltlos und moralisch minderwertig. Er hört mir mit angespannter Ungeduld zu und seinen Augen sieht man an, dass er mir kein Wort glaubt. Zwar räumt er ein, dass ich in der Materie bewandert sei, das merke er. Aber in der Sache sein der Slogan FALSCH oder zumindest unfertig. Er müsste heissen: „Dicksein ist zwar keine Schande, aber man muss etwas dagegen tun!“

Ich gebe zu, dass man das so hätte formuliern können, aber wir hätten uns nach reiflicher Überlegung eben anders entschieden. – Jetzt verschärft er die Tonart: Unser Slogan sei eine Frechheit, denn jeder Übergewichtige, der vorbeigehe und das lese, fühle sich sofort bestätigt, dass er weiterhin haltlos durch Leben gehen könne, ohne sich mehr zu bewegen und ohne bewusster zu essen. Und während er, der Masseur, als Raucher dauernd in der Öffentlichkeit angemacht werde und laufende Schikanen zu erdulden habe, mache man es den haltlosen Dicken zu einfach mit solchen Sprüchen. – Er jedenfalls habe keine Mühe, sein Gewicht immer wieder unter Kontrolle zu bringen, wenn er mal im Urlaub einige Tage über die Stränge gehauen und ein par Kilo zugenommen habe.

Ich versuche nochmals – nun unterstützt durch eine Psychologin, die zu uns gestossen ist – ihn darauf hinzuweisen, dass er in diesem Fall zu den Glücklichen gehört, denen diese Selbstkontrolle leicht fällt und die keine negative genetische oder seelische Vorbelastung haben… Gegen diese Einschänkung verwahrt er sich entschieden: Es sei einzig und allein sein Wille und seine freie Entscheidung, sich erfolgreich zu disziplinieren, und alles andere sei Geschwätz.

Da brennt bei mir ein kleines Sicherungsdrähtlein durch und ich erkläre ihm sachlich aber bestimmt, dass ich einer solchen Haltung leider noch immer in vielen Diskussionen begegne und dass ich dann jeweils resigniere, aber innerlich mir wünsche, ich könnte solchen Typen links und rechts eine in ihr überhebliches Gesicht kleben und sie dann mit einem kräftigen Fusstritt ins Pfefferland befördern…. – Jaja, sagt er, er sehe schon, es sei wohl aussichtlos, mit mir noch weiter zu diskutieren. Und trollt sich von dannen. Und ich überlege mir, was ich falsch geamcht habe, ich bin ja eigentlich von Natur ein gutmütiger Mensch.


4 Kommentare zu “Dicksein ist (k)eine Schande”

  1. Irene sagt:

    Fein, dass Sie gutmütig sind, denn solche Leute sind unbelehrbar. Trotzdem – wer übt nicht auch einen ständigen kleinen Kampf mit dem Gewicht. Ab anfangs Juni gehe ich mit einer Kollegin für eine Woche zum Fastenwandern in den Schwarzwald.
    Freundliche Grüsse
    Irene Fischer

  2. Noldi Nötzli sagt:

    Nichts, aber auch gar nichts haben Sie falsch gemacht! Besten Dank für Ihr Engagement.

  3. Caroline D'Amato sagt:

    Jeder Mensch hat seine Schwächen. Die einen essen zu viel, die anderen, wie Ihr Masseur, rauchen dafür oder tun etwas anderes was sie besser lassen sollten.
    Es ist einfach, sich besser oder disziplinierter als andere zu fühlen auf einem Gebiet, auf dem man keine Schwäche hat. Soll er doch mit rauchen aufhören. Mal sehen ob das für ihn auch so einfach ist wie abnehmen…

  4. Urlaub Esser sagt:

    Ja, Schwächen sind normal und im Urlaub wird nun einfach mal mehr gegessen als sonst :-)

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