16/4 „polit. korr.“
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 17:00 |
Vorübergehend ist es etwas ruhiger geworden in der Debatte um die Suche nach Formulierungen, die einen Sachverhalt umschreiben, ohne Betroffene zu verletzen. Political Correctness hiess die Zauberformel, nach welcher man nicht mehr von „Dicken“ reden sollte, sondern von Menschen, die „horizontal herausgefordert“ sind. Ein Spleen, der in den 90er-Jahren aus Amerika kam und der rasch Verbreitung fand, der aber auch zu scherzhaften Auswüchsen führte, bis zu „extrem pigmentiert“ statt „schwarz“, wenn es um Menschen aus Afrika ging… Vielleicht haben wir die politische Korrektheit schon so weit internalisiert, dass sie uns im Alltag gar nicht mehr auffällt.
Bezüglich der horizontalen Herausforderung zeigt sich nun aber ein neuer, aktueller Aspekt: im englischen Liverpool haben Schulverantwortliche bei der Stadtverwaltung vorgeschlagen, man möge doch in Zukunft im Zusammenhang mit übergewichtigen Kindern und Jugendlichen nicht mehr von „Obesity“ (Adipositas) sprechen, sondern nur noch von „ungesundem Gewicht“. Denn der Begriff „Obesity“ sei negativ besetzt und könnte die Kids verletzen und demotivieren.
Der Vorschlag werde geprüft, lässt die Verwaltung verlauten, aber Adipositasspezialisten sind skeptisch. Sie fürchten, durch eine solch „beschönigende“ Formulierung könnte die Tragweite des Befundes verharmlost, ja verniedlicht werden. Wenn ein Problem bestehe, müsse man es auch als solches benennen, und „adipös“ sein nun einmal „adipös“, da gebe es nichts zu kaschieren. – Allerdings sieht es so aus, als würde die Stadtverwaltung der Idee positiv gegenüberstehen und im kommenden Monat entsprechend entscheiden. Gleichzeitig sei geplant, Sport-Stars als „food heroes“ einzusetzen, um in den Schulen eine gesunde Ernährung zu propagieren. Der alt-sozialistische „Held der Arbeit“ hat es wahrlich weit gebracht…