4/3 Winter im Frühling
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 20:59 |
Es gibt Momente, da ist man froh, mit etwas Gewicht die Bodenhaftung zu vergrössern. Mir ging das heute extrem so, als ich noch schnell im Büro vorbeischauen musste und von Himmel die grossen, nassen, weissen Fetzen fielen. Auf der Strasse die seltene Situation, dass der Schnee halb schmolz, halb blieb, und unter den Rädern der Autos eine wasserglacéglitschige Kompaktschicht bildete, die oberflächlich zur Seite flutschte und unten als eisiger, von den Pneus leicht geriffelter Hartbelag für rumpelnde Vibrationen sorgte.
Die Wagen rollten im Schritttempo (schreibt man das überhaupt noch mit drei T, nach dem Rückkommen der deutschen Kultusminister in Sachen Rechtschreibereform?) mit ehrfurtsvollen Abständen, bei jedem Anhalten, egal wie langsam man ausrollen liess, ruckelte das ABS-System bis zum Stillstand und bei jedem Anfahren, egal wie eiermässig vorsichtig man das Gaspedal berührte, signalisierte das hellgelbe Flackerlicht am Armaturenbrett, dass die Vorderräder durchdrehten…
Ich mag diese etwas speziellere Art des Autofahrens, es ist wie ein kleines Kunststück, möglichst elegant und ohne Schlingern voran zu kommen, während man selber gemütlich im Warmen sitzt und rundum die Welt in kalter Nässe versinkt. – Und eben: die Gewissheit, dass man zusätzlich zum an sich bescheidenen Gewicht des kleinen Wagens immer noch eine satte Tonnage mit sich führt, die sich auf die Reifen überträgt und die Haftung verbessert.
So zuckele ich nach getaner Arbeit wohlgemut wieder die berüchtigte Rosengartenstrasse hoch, überhole elegant grössere Limousinen, die mit pfeifenden Hinterrädern dabei sind, sich beharrlich quer zu stellen, ziehe an den vorsichtigen Kollegen vorbei, die im Stop-and-Go-Betrieb sich mühsam in der rechten Spur quälen, und gondle längst durch den tiefen, ungepflügten Schnee über die Quartierstrassen, bis mich zum Schluss noch die Einfahrt in die Garage vor ein neues Problem stellt: Es gilt, per Fernbedienung das Tor so zu öffnen, dass es so lange offen bleibt, wie ich brauche, um mit Anlauf und Schwung durch den am Strassenrand aufgeworfenen Matsch-Wall hindurchzubrechen und aus der Kurve ins Tor zu treffen, bevor dieses sich wieder senkt und mich einklemmen würde… Beim zweiten Anlauf gelingts und ich bin heilfroh, wieder im Trockenen zu sein. Es lebe der Winter im Frühling!