28/4 Dünne Wahl
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 13:13 |
Einst war es absolut ok, wenn ein politisches Schwergewicht – also jemand, der grossen Einfluss auf die Politik nehmen konnte – auch so aussah und entsprechend wog. Eine stattliche Erscheinung, eine imposante Figur… man muss dabei nicht nur an Altbundeskanzler Helmut Kohl denken, auch andere Staatenlenker haben sich in der Vergangenheit durch Leibesfülle ausgezeichnet. Aber das war einmal. Heute ist der Körperumfang auch in der Politik zum Odium geworden. Sportliche Typen wie Obama und Sarkozy beherrschen das Feld, sogar beim nackten Berlusconi hängt nichts herunter, wie uns Giaccobo & Müller mehrmals genüsslich gezeigt haben.
In den USA wird das Körpergewicht der Kandidaten zum umstrittenen Wahlkampfthema. Obwohl dort die Wählerschaft einen hohen Anteil an Adipösen umfasst, wird abgenommen, was das Zeug hält, wenn es darum geht, Stimmen zu sammeln. Denn Umfragen zeigen, dass heute „dünn“ in ist und die fitten Abgeordneten punkten können, während sich für die Dicken das obligate Stigma nachteilig auswirkt.
Auch bei uns hat der Trend schon Fuss gefasst. Manche Politiker, die einst zu den schwereren Gewichten zählten, zeigen sich plötzlich in verdünnter Gestalt. Wie genau sie das geschafft haben, darüber wird in der Regel nicht kommuniziert. Eine Ausnahme ist hier FDP-Nationalrätin Doris Fiala. Sie hat mit einem konsequenten Regime ihr Ernährungs- und Bewegungsverhalten umgestellt und erfolgreich abgenommen. An einer öffentlichen Veranstaltung berichtete sie freimütig darüber, räumte aber gleichzeitig ein, dass keine Garantie bestehe, dass sie nicht ev. später wieder einmal zunehmen würde, wenn sich ihre Lebensumstände veränderten. Zudem übte sie Kritik an jenen Politikern und Promis, die sich mit einem chirurgischen Eingriff erfolgreich Erleichterung verschafft hatten, dies jedoch schamhaft verschwiegen, offenbar um den Eindruck zu erwecken, sie hätten es aus eigenem Antrieb geschafft. – Fiala nannte keine Namen, aber ein Blick auf die Parlamentarier-Bilder „einst – jetzt“ könnte interessante Perspektiven eröffnen.
Ist das mit den erhöhten Wahlchancen der Dünnen und Fitten nun ein Akt der Diskriminierung? Ein Modell der natürlichen Auslese? Oder am Ende nur eine Modeerscheinung? Und wenn wir in uns selber hineinhorchen: Würden wir eher einem mageren „Sprenzel“ unsere Stimme geben, oder einem wohlgenärten Bonvivant?