13/6 Die TV-Steine-Kur
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 20:56 |
Beim Zappen stösst man auf allerlei Phänomene, mitunter auf die nackte Dummheit. Derzeit boomt auf manchen Kanälen der blanke Wahrsager-Wahn. Für 4 Franken 50 pro Minute kann man sich von angeblich Hellsichtigen in allen Lebenslagen beraten lassen, sei es mit Tarotkarten, mit Teeorakel oder anderen schamanistischen Praktiken. Wer daran glauben mag, soll selig werden, von mir aus.
Wo ich aber definitiv die gefiederten Freunde gekriegt habe, das war kürzlich, als ich hörte, dass diese telepathologische Gesundbeterei auch gegen Übergewicht helfen solle. Da gibt es eine langmähnige Dame mit Namen Mari Jo. Sie ist seit 40 Jahren im Geschäft, legt Karten, kontaktiert Verstorbene, nennt sich Voodoopriesterin und verordnet auf medialem Weg zur Heilung von allerlei Gebresten spezielle Edelsteine…
Steine, virtuell in den Anrufer hineinprojiziert, sollen gegen Übergewicht helfen… wie geht das? Mari Jo nimmt die telefonische Anfrage entgegen, registriert den Wunsch eines armen Menschen, der endlich, endlich abnehmen möchte. Mit grossen Bewegungen beschwört sie einen imaginären Edelstein herbei, „schickt“ diesen via TV-Programm zu ihrem Klienten, „platziert“ ihn mit eindringlichen Worten in dessen Körper, vergewissert sich durch einfühlsames Nachfragen, ob der Betreffende auch an einen einschlägigen Kribblen „spürt“, dass der wunderheilsame Stein eingetroffen, angekommen ist… Nun soll er im Körper des Hilfesuchenden positiv zu wirken beginnen, ihn bekräftigen in seinem Wunsch, Gewicht zu verlieren, ihn zum Erfolg führen, seine eigene Energie verstärken.
Mari Jo weiss natürlich, dass socher Humbug nicht wirklich helfen kann. Sie hütet sich denn auch, irgendwelche kilomässwigen Erfolgsversprechungen zu machen. „Wirkt“ der Stein, so hat der Placebo-Effekt gesiegt – wie bei so vielen Vergleichsstudien in der Adipositas-Therapie. Tut sich nichts, so waren eben zu wenig Eigenkräfte vorhanden, um verstärkt zu werden.
Eines muss man ihr zugute halten: Sie zieht die Beratungsgespräche nicht unnötig in die Länge. Hilfesuchende kommen meist mit ca. 10 Franken – und einem Stein – weg. Und da ja Glauben selig macht, hat die „Kur“ zumindest keine gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen.