24/4 Tschernobyl und Adipositas
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:23 |
2,8 Kilo sind wieder „zurückgekommen“ in diesen vier Wochen. Das ist für mich ein ansehnlicher Erfolg, denn sonst hat mich der Jojo-Effekt meist heftiger gebeutelt, wenn ich nicht mehr aufgepasst habe wie der sprichwörtliche Häftlimacher. Es besteht also die Chance, dass ich – bei konsequentem Verzicht auf die Ausnahmen von der Regel – bald wieder auf dem Weg nach unten sein werde. Die positive Differenz beträgt immer noch minus viereinhalb und es liegen die wzeiten vier Wochen der strengeren Art vor mir.
Aber dieses private Sörgeln ums Abnehmen nimmt sich fast etwas schäbig aus, wenn neben meinem Schreibtisch gleichzeitig die TV-Dokumentation läuft zum 20. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. – Der Film weckt bei mir Erinnerungen. Ich habe einen Teil der Auswirkungen des „Ereignisses“ in der Schweiz aus nächster Nähe miterlebt. Ich habe damals mit einer kleinen Equipe die Radio-Berichterstattung aus den unterirdischen Studios der Nationalen Alarmzentrale organisiert. Ein im Rückblick hoch sensibles Unterfangen. Die Bevölkerung war aufgewühlt, lechzte nach Informationen und verlässlichen Empfehlungen, war in Panik und verwirrt durch widersprüchliche Nachrichten aus dem Ausland, die zum Teil völlig unterschiedlich klangen, je nach der politischen Grundhaltung der jeweiligen Regierung.
Und es war extrem mühsam und desillusionierend, miterleben zu müssen, wie schwer sich die Verantwortlichen bei uns taten, bis sie eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis und Aussage so weit durch die politische Mühle gewalkt hatten, dass man sie übers Radio verbreiten konnte… – Dieses Prozedere erinnert mich in manchen Punkten an die heutige Diskussion über zu treffende Massnahmen im Umgang mit der Epidemie Übergewicht.
Ich weiss, der Vergleich ist frivol und vielleicht schockierend. Aber es gibt Parallelen. Adipositas ist eine schleichende Seuche, die vorhanden ist, auch wenn man sie lange nicht wahr haben will. Jede staatliche Massnahme oder Empfehlung hätte sofort Rückwirkungen auf den Markt, würde ganze Berufskategorien betreffen und hätte Einfluss auf den Alltag und dessen vertrauten Lebensstil. Das Thema betrifft – wie die Energiepolitik – das ganze Leben und fast die ganze Bevölkerung. Und so, wie man den Energieverbrauch mit Appellen und Empfehlungen allein (wie etwa Adolf Ogis geniale Eierkocherei) bis heute nicht in den Griff bekommen hat, so schwierig wird es sein, in nützlicher Frist jene Botschaften glaubwürdig zu kommunizieren, die ein nachhaltiges Umdenken in Sachen Lebensstil bei Ernährung und Bewegung von klein auf bewirken. – Aber soll man sich deswegen entmutigen lassen?