9/6 Dickes Problem
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:03 |
Das bewegt die Nation: der Blick hat die Geschichte aufgegriffen von der Serviertochter, die 100 Kilo schwer ist und eine Stelle erhalten hat in einem Bergrestaurant. Als sie diese antreten wollte, musste sie erfahren, dass die Wirtsleute sich inzwischen anders besonnen hatten, denn es war ihnen offenbar erst jetzt eingefallen, dass im Lokal so eng getuhlt sei, dass eine füllige Bedienung gar nicht zwischen den Tischreihen durchkommen würde…
Ist das nun ein Fall von krasser Diskriminierung Übergewichtiger? Ist der jungen Frau Unrecht geschehen? Oder ist die Wirtin im Recht, die es sich anders überlegt hat? – Das Blatt hat sein Leserforum geöffnet und eine Abstimmng durchgeführt. Mit ernüchterndem Resultat für die betroffene Frau.
Bloss 20 Prozent sprechen ihr das Anrecht auf eine Anstellung zu; 60 Prozent finden die Haltung der Wirtin ok und weitere 20 Prozent haben keine Meinung in der Sache… – Objektiv ist es natürlich richtig, dass bei einer Anstellung letztlich der Anstellende entscheidet, wem er den Zuschlag gibt.Nach welchen Kriterien dies geschieht, das ist allein die Sache dessen, der die Entscheidung zu treffen hat. Es kann Sympathie sein, die Haarfarbe, die „Chemie“ (oder das, was dafür gehalten wird)… und darüber ist auch keine Rechenschaft geschuldet, solange es sich nicht um eine Selektion im allgemeinen Interesse und nach vorgegebenen Anforderungen handelt.
Unschön ist in diesem Fall jedoch, dass ofenbar in einer ersten Phase die „Chemie“ gestimmt hat, dass die junge Frau eine formelle Zusage erhalten hat, die erst späer unter Verweis auf das Körpergewicht wieder zurückgenommen wurde. Das ist unfein und verletzend und musste – subjektiv – durchaus als diskriminierend empfunden werden.
Traurig allerdings stimmen die Kommentare der Blick-Leser, aus denen viel unverhohlene Ablehnung gegenüber übergewichtigen Menschen zu spüren ist, vom alten Vorurteil der Faulheit bis zu herben Schuldzuweisungen. Nur wenige zeigen Verständnis oder kritiseren das Verhalten der Wirtin. – Gibt es hier einen objektiven Standpunkt? Sind wir, die wir die Interessen der Übergewichtigen vertreten, nicht auch voreingenommen? Wie gehen wir so „normal“ wie möglich miteinander um? Und tragen solche Geschichten nicht dazu bei, Vorurteile noch zu verstärken statt sie abzubauen?