12/6 Grand Bal Champêtre
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:15 |
Es ist eine Erinnerung aus früheren Zeiten. Vierzig Jahre oder mehr mag es her sein. Wie genau es angefangen hatte, weiss ich nicht mehr. Wir waren eine Clique aus Radiokollegen, ehemaligen Kommilitonen und zugewandten Orten. Im Sommer lag man halbe Tage lang im Marzili und schwamm in der Aare, manchmal pilgerte man stundenweit flussaufwärts, um sich dann in den kühlen Fluten wieder ins Bad zurück treiben zu lassen.
Mittwochs hatten wir einen Stamm in der „Harmonie“. (Den gibt es immer noch, nur sind die Häupter inzwischen bemoost – wenn überhaupt.) Man traf sich zu Weisswein, Hobelkäse, Bündnerfleisch oder Fondue. Vinzenz – „Vine“ genannt – trank Bier (oder war es „Casi“?). Das Wort „Abnehmen“ hatte für uns keine Bedeutung, den Begriff „Übergewicht“ kannten wir höchstens vom Hörensagen.
Einmal, im Sommer, packten wir Lebensmittel ein und fuhren in den Jura. Irgendwo auf einer schönen Anhöhe liessen wir uns nieder, breiteten Decken aus, drapierten die Esswaren und spielten das berühmte Gemälde von Edouard Manet nach: Déjeuner sur l’herbe. Aber ich glaube, die mitgeführten Damen mochten sich nicht so strikt an die Regieansweisungen halten. Das Bild war damals gerade 100 Jahre alt.
Vielleicht ist er aus dieser Erfahrung entstanden, der Grand Bal Champêtre: ein ländliches Fressgelage, einmal im Jahr, in aller Abgeschiedenheit hinter Bern, Richtung Schwarzenburg, bei einem Bauernhof, wo „Metzgete“ war. Man musste vorher seinen Obulus einbezahlen, dann wurde ein Schwein gekauft, das sein Leben lassen durfte, zugunsten von Blut- und Leber- sowie Bratwürsten, saftigen Bratenstücken, knusprigen Rippli, Voressen… kurz, alles, was der Carnivoren Herz und Gaumen erfreuen mochte. Dazu einen Roten vom Fass und – für Vinzenz – genug Bier.
Die Tradition hat sich über all die Jahre gehalten und ist sogar mit der Zeit gegangen. Heute habe ich in der Post die Aufforderung gefunden, meine E-Mail-Adresse einzuschicken, damit die Informationen künftig elektronisch ausgetauscht werden können. – Wir zahlen unseren Beitrag regelmässig ein, aus Solidarität, sind aber seit Jahren nicht mehr an einem Grand Bal Champêtre gewesen. Die Reise ist zu mühsam und der Rückweg nach Zürich am gleichen Abend nicht mehr möglich. Man ist ja auch nicht mehr 25.
Aber jetzt, denke ich, sollte man sich der Erinnerung wieder einmal stellen. Die fleischlichen Genüsse passen perfekt in meinen momentanen Speiseplan, und überhaupt. Freunde von damals, aufgepasst, es kann sein, dass wir heuer wirklich kommen.