26/3 Dicksein verbieten?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:00 |
Es ist ein kühner Entwurf, den ein Professor für Bioethik an der Princeton University in USA formuliert hat und den der TagesAnzeiger heute in einer Übersetzung abdruckt.
Aus Rücksicht auf die Umwelt und die Ökologie sollten die Menschen durch staatliche Massnahmen „vom Übergewichtigwerden abgeschreckt“ werden. Abschreckung als Therapie… das kommt mir fast ein wenig vor wie seinerzeit der Ausspruch von Armeekritikern, die Schweiz hätte keinen Gegner wirklich zu fürchten, da sich ein allfälliger Angreifer beim Anblick der Schweizer Soldaten ohnehin totlachen würde…
Professor Peter Singer illustriert seine These anhand der Flugtaxen: während die Passagiere für überschweres Gepäck extra bezahlen müssten, würden die Kosten für „zusätzliches“ Körpergewicht auf die Gesamtheit aller Passagiere abgewälzt. Er plädiert für gewichtsbezogene Flugtarife und rechnet aus, wie hoch die Mehrkosten der Fluggesellschaften für die Zusatzladungen an Menschenfett seien.
Dabei gehe es nicht um die Diskriminierung von kranken Menschen, sondern um eine gerechtere Verteilung der Kosten. Und es folgt sogleich die Berechnung des zusätzlichen Aufwandes für breitere Sitze in Zügen und Bussen, für verstärkte Spitalbetten, solideres Mobiliar und sogar für die grösseren Kühlschränke in Leichenhäusern.
Als „abschreckend“ erachtet der Herr Profesor u.a. Steuern auf Lebensmitteln, die dazu beitragen, dass Menschen dicker werden… und mit diesen Einnahmen sollten dann die Mehrkosten der Fettleibigkeit gedeckt werden. Er unterliegt allerdings dem weit verbreiteten Irrtum, dass dicke Menschen besonders grosse Mengen dieser Lebensmittel verputzen würden… dabei würden wohl vor allem jene „bestraft“, die von Natur aus nicht zunehmen und bei denen die Menge der eingenommenen Speisen keine Rolle spielt.
Die Idee der „gerechten“ Kosten-Umlagerung für einen Evolutionsprozess scheint mir extrem kurzsichtig und einfältig zu sein. Die heutigen Menschen sind deutlich grösser als noch vor einigen Generationen: sollten die Individuen deshalb nach Körpergrösse besteuert werden, um damit die grösseren Stühle und Pulte in den Schulen zu finanzieren? Oder könnten die Kids vom Grösserwerden „abgeschreckt“ werden? Das hat vielleicht etwas mit „Bio“ zu tun, aber sicher nicht mit „Ethik“. Und bis zum 1. April sind es doch immerhin noch 6 Tage!
»Er unterliegt allerdings dem weit verbreiteten Irrtum, dass dicke Menschen besonders grosse Mengen dieser Lebensmittel verputzen würden… dabei würden wohl vor allem jene “bestraft”, die von Natur aus nicht zunehmen und bei denen die Menge der eingenommenen Speisen keine Rolle spielt.«
Einspruch! Es gilt immer noch calories in vs calories out (abgesehen von seltenen Fällen wie z.B. Hyperthyreose-Patienten). Alles andere würde den ersten Hauptsatz der Thermodynamik verletzen. Die Menge der eingenommenen Speisen oder besser gesagt Kalorien ist also der Faktor schlechthin, der zu Übergewicht führt. Dass Übergewichtige denken, sie essen wenig oder Untergewichtige denken, sie essen viel liegt beim gesunden Individuum allein an Phänomenen der Wahrnehmung.
»Die Idee der “gerechten” Kosten-Umlagerung für einen Evolutionsprozess scheint mir extrem kurzsichtig und einfältig zu sein. Die heutigen Menschen sind deutlich grösser als noch vor einigen Generationen (…)«
Auch hier bin ich nicht ganz einverstanden: Der schlagartige Anstieg der durchschnittlichen Körpergrösse in der westlichen Welt seit Beginn der Industriellen Revolution hat damit zu tun, dass sich allmählich sowohl die Ernährung als auch die medizinische Versorgung verbesserten und somit heute das volle genetische Potential im Bereich der Körpergrösse eher erreicht wird als früher. Eine evolutionär, also genetisch motivierte Erklärung scheitert daran, dass der Gendrift in der menschlichen Population dafür viel zu langsam ist und auch daran, dass zu keinem Zeitpunkt in den letzten 200 Jahren ein umfassender Selektionsdruck zu Gunsten grösserer Individuen geherrscht haben dürfte.