12/8 Satte Spatzen
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:29 |
Ich hatt‘ einen Kameraden – im Militär, wo denn sonst? Er kam aus dem Baselbiet und wann immer wir (das war zu unserer Rekrutenzeit, also ein halbes Menschnleben her) einer properen Maid gewahr wurden (die waren damals noch nicht so spindeldürr, Twiggy kam erst einige Jahre danach), so schnalzte er mit der Zunge und sagte anerkennend: „e satte Schpatz!“
So der Fachbegriff für ein weibliches Wesen, das „gut im Fleisch“ war… – Man hielt ja damals noch etwas von Formen. Der Blick in alte Wochenschauen eröffnet völlig verblüffende Perspektiven betr. Schönheitsideal und der japanische Fuji-Konzern warb mit dem Slogen „Fotografieren Sie Ihren Sonnenschein doch mal bei Sonnenschein“ und zeigte auf dem Plakat ein appetitliches Dickerchen zum Anbeissen mit Sonnenschirm (das ich leider trotz ausgiebiger Suche im Internet nicht mehr gefunden habe, vielleicht habe ich die falschen Stichworte eingegeben). Das Bild ging damals um die Welt und hing in so manchem Spind…
Auf die „satten Spatzen“ hat mich eine Radiomeldung gebracht: dass in USA die Babies schon in den ersten Monaten immer dicker werden und dass vor allem die Kinder von Farbigen und aus ärmeren Familien zum Dickwerden neigen. – Da ist, in eine knappe Nachrichtenmeldung kondensiert, das ganze Problem skizziert. Während man zu Gotthelfs Zeiten kränkelnde Säuglinge noch mit „Niidle“ rundfütterte, klopft heute das Adipositas-Gespenst an die Wiegen und schreckt die besorgten Eltern auf. Man versucht, bewusster zu essen, wenn man es sich leisten kann. Das geht schon so weit, dass ein Schokoladehersteller in der aktuellen Ausgabe von NZZ Format, die dieser Tage auf verschiedenen TV-Sendern läuft, das Publikum fast beschwörend um Gnade anfleht für sein Produkt: Schokolade sei durchaus etwas Gutes, das man sich ruhig von Zeit zu Zeit zum Glücklichsein gönnen könne… denn nur durch übermässigen Genuss verkehre sich die Wohltat in ihr Gegenteil. Und man sieht in der wunderschön gestalteten Reportage, wie die verschiedenen Pralinés, Truffes und Schoko-Tafeln gemacht werden, von Hand und mit raffinierten Maschinen, aus erlesensten Zutaten nach überlieferten Rezepten… Ein Loblied auf die schmelzende Süssigkeit des Daseins. Ich habe wahrscheinlich nur vom Zusehen ein gutes Kilo zugenommen.