26/9  Die Sache mit dem Segway

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:28

Sie wissen doch was ein Segway ist. Nicht? – Da war vor vier Jahren diese spannungsgeladene Enthüllungsgeschichte, zuerst nur in Andeutungen, Gerüchte, dass da ein Tüftler in Amerika dabei sei, ein absolut revolutionäres Gerät zu entwickeln, das den ganzen individuellen Nahverkehr von Grund auf revolutionieren würde, vergleichbar mit der Erfindung des Fahrrades oder der Dampfmschine… Und keiner konnte sich darunter etwas vorstellen.

Dann kamen die ersten Skizzen, Mutmassungen, erlkönigmässig… und schliesslich dann die Photos: dieses etwas plumpe, zweirädrige Ding, das mit Elektromotor läuft (anfänglich war noch über einen Dampf-Druckluft-Antrieb spekuliert worden), und eben, dass es Segway heisse.

Und dann war vor einigen Tagen bei uns (lokale Presse im Raum Zürich) die Klage zu hören, dass dieses Vehikel, das die grosse Attraktion bei einer Veranstaltung für alternative Mobilität hätte sein sollen, keine Zulassung für die Strasse habe, weshalb man davon absehen müsse, das Ding vorzuführen…

Denn: man kann es in der Schweiz durchaus kaufen. In verschiedenen Modellen. Nur fahren kann man es offenbar noch nicht überall. In Bern habe ich schon letztes Jahr eines im Einsatz gesehen, als Behinderten-Fahrzeug, quasi ein Rollstuhl-Ersatz. Das hat mir Eindruck gemacht, denn es steigert die persönliche Beweglichkeit und Autonomie eines Betroffenen enorm.

Der Betrieb ist nicht ganz risikolos. Die Balance muss gehalten werden, was offenbar nicht eben einfach ist; man las, dass der US-Präsident George W. Bush damit einen Sturz produziert hat. Ein Erfahrungsbericht aus Deutschland zeigt, dass da noch andere Probleme zu überwinden sind.

Aber was geht uns das alles hier im eBalance-Blog an? – Einiges schon. Zunächst ist das Ding für Übergewichtige primär nicht geeignet. Es hat eine maximale Tragkraft von 118 Kilo und könnte also ein Anreiz sein, abzuspecken… Aber dann stellt sich die ganz grundsätzliche Frage: wozu braucht der Mensch, der sich ohnehin zu wenig mit Muskelkraft bewegt, noch ein weiteres Gerät, das ihm die letzte Möglichkeit abnimmt, einige Schritte zu tun? Im Blick auf die Volksgesundheit müsste nicht nur die Zulassung im Strassenverkehr in Frage gestellt werden, sondern die Inbetriebnahme überhaupt, sofern eben nicht zu ganz speziellen, bewilligungspflichtigen Zwecken…

Ich weiss, da bin ich wieder mal griesgrämig und spassfeindlich, wohl nur neidisch, dass ich noch eine Weile keine Chance hätte, selber damit herumzukurven… Aber paradox ist die Situation doch: da zerbrechen sich die Experten die Köpfe, wie man die Leute wieder vermehrt dazu bringen könnte, sich per pedes zu bewegen und es werden für gutes Geld raffinierte Motivationskampagnen durchgeführt… und gleichzeitig drängt eine weitere bewegungsvernichtende Maschine auf den Markt, die uns daran hindern will, unsere eigenen Muskeln zu brauchen. Und was ist mit dem Hirn?


3 Kommentare zu “Die Sache mit dem Segway”

  1. Marc sagt:

    Wie kommst Du denn darauf, dass man auf dem Segway die Balance halten muss? Es ist ja grad der Clou an der Sache, dass man es eben nicht muss, das übernimmt der Segway komplett für einem. Wenn George Bush so blöd ist und vergisst, das Teil einzuschalten, ist das wohl eher sein Problem, wenn er dann auf die Nase fällt. Sein Vater hat jedenfalls kein Problem damit.

  2. Paddy sagt:

    Die entscheidende Frage ist doch, ob man den Segway anstelle des Autos braucht, oder anstelle des Fahrrads. :-)

  3. Constantin sagt:

    @ebalance

    Den Segway als „bewegungsvernichtende“ Maschine darzustellen, finde ich eigentlich schon nicht so angebracht, ist es doch Entscheidung jedes Menschen, etwas für seinen Körper zu tun oder nicht. Ein Bewegungsmuffel wird mit Sicherheit auch mit grösstem Werbeaufwand seinen Hintern nicht heben und zu Joggen beginnen, geschweige denn die Treppen anstelle eines Lifts zu benutzen.

    Zudem müsste man dann in die Kategorie „bewegungsvernichtende Maschinen/Geräte“ auch noch den TV, DVD, Tram und sonst was reinpacken, also auf auf und „back to the roots“. Würde dann gleich auch vorschlagen, dass wir in Zukunft unser Wasser wieder aus dem kristallklaren Bächlein holen und per pedes ein paar Kilometer befördern…

    Dann wäre noch das Thema Mobiliätsgewinn, für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Schmerzen haben beim Laufen… Stecken wir diese doch gleich alle pauschal in einen Rollstuhl, was sicherlich sehr erhebend für das Selbstwertgefühl sein dürfte.

    Ein Fahrrad hat natürlich durchaus seine Berechtigung, doch wenn ich das einsetze, dann schlichtwegs zur sportlichen Betätigung. Ich würde im Traum nie daran denken, in Anzug mit Aktentasche im Sommer zu einem Kunden zu strampeln und dort halb ausgelaufen einzutreffen. Tolles Bild. Mit dem Segway hingegen, lass ich das Auto noch so gerne in der Garage, weil ich in einer Stadt sowohl dem Auto, Velo wie auch öffentlichen Verkehr ganz deutlich „überlegen“ bin, ganz einfach aus dem Grund, dass ich mit dem Segway „querfeldein“ Hügel hoch, Hügel runter, durch die schmalsten Gassen auf direktestem Weg von A nach B gelange, weder auf Strassenbahnen warten noch Parkplätze suchen muss….

    Somit ist für mich ein Segway im Nahverkehr ein absolut sinnvoller Ersatz für das Auto oder ein grosses Motorrad.

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